Das Interview mit Boris Knopf, Würdezentrum Frankfurt "Der Humor hört bis zum Lebensende nicht auf"

Die letzte Phase ihres Lebens nehmen viele Menschen in der Palliativversorgung als "Würde-verletzend" wahr, sagt Boris Knopf. Mit dem Frankfurter Würdezentrum will er das ändern und auf die Bedürfnisse der Menschen eingehen. Dafür wurden er und sein Team vor Kurzem mit dem Hessischen Gründerpreis ausgezeichnet.
Die meisten Menschen bereiten sich besser auf ihren nächsten Urlaub vor als aufs Sterben, sagt Boris Knopf. "Wenn wir in Urlaub fahren, schließen wir eine Versicherung ab, kümmern uns darum, dass der Wellensittich genug zu essen und zu trinken hat und packen unsere Koffer. Auf unsere letzte Reise bereiten wir uns so überhaupt nicht vor, weil wir immer denken: Naja, betrifft mich ja nicht, betrifft immer nur die anderen."
Letzte-Hilfe-Kurse
Mit dem Frankfurter Würdezentrum will Knopf das ändern. Der gelernte Krankenpfleger hat die gemeinnützige Organisation 2016 zusammen mit dem Palliativmediziner Ingmar Hornke gegründet, jetzt wurden sie dafür mit dem Hessischen Gründerpreis ausgezeichnet. Auch wenn er weiß, dass das Thema "nicht sexy" ist: "Wir möchten die Bürger befähigen, sich mit dem Tod und dem Sterben auseinanderzusetzen und es als Teil des Lebens zu begreifen", sagt Knopf. Lernen kann man das in vier Stunden – zumindest so ein bisschen. So lange dauern die "Letzte-Hilfe-Kurse", die man im Würdezentrum besuchen kann.
Den Teilnehmenden wird vermittelt, wie man fürs Lebensende vorsorgen kann, wie man Abschied nimmt und wie Beschwerden am Lebensende gelindert werden können. "Vieles ist geprägt von der Angst davor: Ich könnte Schmerzen haben. Ich könnte Luftnot haben. Und wir erklären, was wir in der Hospiz- und Palliativarbeit leisten können." Letztlich werde dem Thema Sterben so ein bisschen der Schrecken genommen.
"Gucken, was Menschen in ihrer Situation brauchen"
Knopf und seinem Team geht es um Würde, die Menschen in der letzten Phase ihres Lebens erleben können sollten. "Es geht immer darum, den Menschen zu begegnen und zu gucken, was sie in ihrer Situation brauchen - und nicht darum ihnen zu sagen, wie schöner Sterben funktioniert." In der Palliativversorgung würden Menschen die Zeit kurz vor dem Tod immer wieder als sehr "Würde-verletzend" wahrnehmen. Die Idee bei Gründung des Zentrums sei deshalb gewesen, "aus diesen Erfahrungen und dieser Wahrnehmung von Würdeverlust was Positives zu machen und das dazu nutzen, mit den Menschen in Kontakt zu kommen." Und das bedeute: nicht nur das körperliche Symptom, sondern den Menschen in seiner Gesamtheit wahrzunehmen, mit all den Fragen und Sorgen, die Menschen vor dem Tod haben. "Das ist das, was Palliativmedizin leisten kann. Wir haben keine Chance dafür zu sorgen, dass es heute nicht regnet. Aber ich kann dafür sorgen, dass ich einen Mantel dabeihabe, der mich schützt und der mich umsorgt."

Nicht immer bierernst
Knopf sorgt auch dafür, dass das nicht immer bierernst zugeht: "In der Palliativversorgung wird an den richtigen Stellen auch gelacht und das ist gut. Der Humor hört bis zum Lebensende eigentlich auch nicht auf." Natürlich gelte es, Abschied zu nehmen, aber es gelte eben auch zu gucken, welche tollen Momente es gegeben habe. Und das seien "immer die Begegnungen mit Menschen und den Familien." Die lustigsten Situationen bei seiner Arbeit seien aber meist sehr skurril, sagt Knopf. "Die sind jetzt aber glaube ich nicht so, dass man es im Radio erzählen würde."
Wovon er im Radio durchaus erzählt, sind zwei seiner berührendsten Momente: Da gab es einmal den elfjährigen Jungen, dessen größter Wunsch es gewesen sei, noch einmal den Weihnachtsmarkt zu besuchen. "Und ich kann mich gut daran erinnern, dass erstens er den Besuch auf dem Weihnachtsmarkt sehr genossen hat und dass es auch für die Eltern ein wichtiges und unvergessliches Erlebnis war." Er wolle einen Teil dazu beitragen, dass das Leben auch für andere gut oder erträglich wird, sagt Knopf über seine Motivation, das zu tun, was er tut.
"Liebe ist stärker als der Tod"
Der zweite Moment ist einer, in dem er begriffen habe, "dass es eine Macht gibt, die größer ist als das, was wir uns vorstellen können." Er hat damals einen Hausbesuch gemacht, erzählt Knopf, der Ehemann hatte einen Hirntumor und seine Frau hatte sich zu ihm ins Pflegebett gelegt. "Das war so ein ergreifendes und berührendes Erlebnis, weil ich zum ersten Mal gespürt habe, dass die Liebe stärker ist als der Tod." Man könne nichts anderes mitnehmen außer der Liebe, sagt Knopf. "Nichts."
Das Interview führte Mariela Milkowa
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