Jan Häusser

An Weihnachten ist der Stresspegel bei vielen besonders hoch. Und das ist "ansteckend", sagt der Sozialpsychologe Professor Jan Häuser. Wie wir die Feiertage trotzdem einigermaßen entspannt und ohne große Enttäuschungen verbringen können, erklärt er im Interview.

Was wäre Weihnachten ohne ein harmonisches Beisammensein mit den Menschen, die man liebt? Für viele vor allem: eher die Regel als die Ausnahme. Selten streiten sich Familien mehr als unterm Weihnachtsbaum, das ist empirisch nachgewiesen. Jan Häusser, Professor für Sozialpsychologie an der Uni Gießen, weiß, warum das so ist: Gerade an Weihnachten sei der Stressfaktor oft hoch, sagt er. Baum, Gans, Oma, Opa, Geschenke – für viele ist das Stress pur. Und der sei ansteckend, sagt Häusser, das hat er zusammen mit seinem Team erforscht.

In Studien haben sie Probanden in stressige Situationen versetzt und sie von anderen beobachten lassen. Das Ergebnis: Es gab eine „Stress-Ansteckung im Sinne von einer Hormonreaktion bei den Beobachtern“. Allerdings nur bei geteilter sozialer Identität, also einem Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen den Probanden. Beste Voraussetzungen also fürs Familienfest.

Coronavirus ist auch ein "sozialer Virus"

Ein weiterer Faktor für Disharmonie und Enttäuschung: Weihnachten sei bei vielen mit hohen Erwartungen verknüpft. „Menschen haben eine sehr genaue Vorstellung davon, was, wann, wie passieren soll an Weihnachten. Und wenn man mit vielen Erwartungen in eine Situation reingeht, dann läuft man natürlich immer Gefahr, dass sie nicht erfüllt werden, was dann eben negativ erlebt wird.“

Als Sozialpsychologe mit dem Forschungsgebiet Stress beschäftigt sich Häusser mit sozialen Faktoren im Stressgeschehen: Was passiert mit der sozialen Interaktion, wenn ich gestresst bin? Was hilft mir in der sozialen Welt als Stresspuffer? Ein solcher Stresspuffer ist, sich mit Menschen zu umgeben, die uns wichtig sind, sagt Häusser. Das Zusammensein sei eine zentrale Ressource, um gut durch bedrohliche oder stressige Zeiten zu kommen - wie eine Pandemie etwa. „Und das ist wirklich das ganz Perfide an dem Coronavirus, das ja auch ein sozialer oder ein Psycho-Virus ist: Jetzt, wo diese Ressource besonders wichtig wäre, ergibt sich aus ihr eine Bedrohung. Und das läuft ganz vielen psychologischen Grundbedürfnissen entgegen.“

Auf den Kern von Weihnachten besinnen

Wie dennoch einigermaßen stressfrei oder gar harmonisch durch die Feiertage kommen? Das Prinzip Hoffnung könne helfen, weiß der Psychologe: darauf, dass es im nächsten Jahr besser wird. Und Absprachen treffen: einen Waffenstillstand für die Weihnachtstage vereinbaren, wenn Streithähne zusammenkommen. Vor allem aber: keine zu hohen Erwartungen aufbauen. Die Wahrscheinlichkeit minimieren, dass ein Plan mal wieder zunichte gemacht wird durch das Virus. Und sich bewusst machen, was Weihnachten im Kern ausmacht: „Im Kern geht es nicht darum, das beste Geschenk zu haben oder das leckerste Essen. Sondern wirklich darum, eine gute Zeit mit den Leuten zu verbringen, die einem wichtig sind. Und dafür bedarf es eigentlich nicht so großer Planung.“

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Das Interview führte Mariela Milkowa.

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