Das Interview mit Peter Tinnemann, Leiter des Frankfurter Gesundheitsamtes "Wir wollen keinen quälen"

Mitarbeitende einer Gesundheitsbehörde erleben beruflich gerade nicht die angenehmste Phase: viel Arbeit, wenig Verständnis aus der Bevölkerung. Peter Tinnemann, Leiter des Frankfurter Gesundheitsamtes, erzählt, wie er mit Anfeindungen umgeht und was die Lage in Frankfurt so besonders macht.
Es gibt sicher entspanntere Voraussetzungen für den Start in einen neuen Job: Mitten in der Pandemie hat Peter Tinnemann die Leitung des Frankfurter Gesundheitsamtes übernommen, eines der größten Gesundheitsämter in Deutschland. Seit sechs Monaten leitet der 45-Jährige dort die Geschicke. Und doch kann Tinnemann genau in dieser Situation seine Stärken ausspielen, wie er findet: „Wenn es um mich herum richtig trubelig wird, dann werde ich immer ruhiger. Und strahle dann auch hoffentlich eine Ruhe an die Kolleginnen und Kollegen aus.“
Das Arbeiten in Krisensituationen kennt Tinnemann, so war er etwa 2010, als Haiti von einem verheerenden Erdbeben heimgesucht wurde, nur drei Tage später als einer der ersten Helfer vor Ort. „Das war schon auch ein bisschen eine Chaos-Situation, wie wir das zum Teil ja jetzt mit Corona auch wieder erleben.“
Championsleague, nicht Kreisklasse
Und trotzdem ist das Arbeiten in der Großstadt doch sehr anders, verglichen mit der Stelle, die er davor bekleidete, als Amtsleiter des Gesundheitsamtes Nordfriesland: „Es ist natürlich ein ganz anderes Volumen.“ Und Frankfurt bringt seine ganz eigenen Herausforderungen mit sich, wie etwa den großen internationalen Flughafen. „Das ist die Champions League und nicht die Kreisklasse.“ Aber genau das, die ständig neuen Herausforderungen und Fragen, machen für Tinnemann auch den Reiz an der Arbeit aus.
Nur schnell genug muss es gehen: „Ich bin völlig ungeduldig. Wenn etwas nicht sofort passiert, dann kann ich auch ordentlich Dampf machen, dass die Sachen auch umgesetzt werden.“ Das sei im Behördenalltag nicht immer ganz einfach, „aber im Moment kommt mir das zugute.“
Geteiltes Leid ...
Natürlich sei aber auch im Gesundheitsamt zu spüren, dass sich alle wünschen, die Pandemie sei endlich vorbei. Gerade Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die bei Infizierten oder Kontaktpersonen anrufen müssten, leiden nicht nur selbst unter der Situation, sondern werden zusätzlich noch am Telefon angegangen. „Die haben dann natürlich keinen Nerv mehr, da macht die Arbeit auch keinen Spaß.“ Im Großen und Ganzen jedoch sei die Mannschaft zwar müde, aber enger zusammengewachsen und sehr beieinander.
Auch Tinneman selbst ist Emfpänger von negativen Mails und Hassbotschaften. Er wundere sich bei einigen Zuschriften schon, was die Leute denken würden über die Arbeit des Gesundheitsamtes. „Wir wollen keinen quälen, wir wollen keinem wehtun. Wir versuchen das Beste für die Gesundheit der Bevölkerung zu machen.“ Deshalb versucht Tinnemann auch, Nachrichten auszusortieren, die nicht konstruktiv sind. „Das will ich erst gar nicht in meinem Großhirn ankommen lassen.“ Und wenn ihm oder Mitarbeitenden doch etwas auf der Seele liegt, dann reden sie darüber, um besser damit umgehen zu können. „Dann kommt es von der eigenen Seele wieder runter und man agiert nach ‚geteiltes Leid ist halbes Leid‘.“
Das Interview führte Sara Bhatti
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