Thomas Nauss

Der Marburger Uni-Wald diente einst dazu, Professoren Brennholz für den Winter zu liefern. Heute beherbergt er ein einzigartiges Projekt zum Umweltschutz, das von Thomas Nauss mit ins Leben gerufen wurde. Im Interview spricht er darüber, warum er Hightech und KI in den Wald brachte und was die Fledermaus davon hat.

Stört sich die Fledermaus eigentlich am Motorrad, das an ihrem Wald vorbeifährt? Und was treibt sie so am Abend, nachdem sie ausgeschlafen hat? Um das herauszufinden, haben Forscherinnen und Forscher die kleinen Tierchen im Marburger Universitätswald mit Sendern versehen, die Signale an Antennen senden. Und nicht nur die Fledermäuse, sondern auch Vögel und Bäume wurden technisch aufgerüstet und mit Sendern und Sensoren ausgestattet. Hightech im Mischwald also.

Natur 4.0 nennt sich das Projekt der Philipps-Universität in Marburg und ist weltweit einzigartig: Mittels der modernen Technik soll ein neues Monitoring-System geschaffen werden, das flächendeckend und präzise Daten sammelt – und damit die Grundlage bildet für nachhaltigen Artenschutz und die Sicherung von Ökosystemen.

Sensoren an Drohnen, Robotern, Bäumen und Tieren

Wie das genau funktioniert, erklärt uns der Präsident der Universität, Thomas Nauss, höchstpersönlich. Er ist eigentlich Umweltinformatiker und hat das Projekt im Uni-Wald mit ins Leben gerufen. "Die Sensoren an Drohnen, fahrenden Robotern, Bäumen und Tieren informieren die Wissenschaftler über den jeweiligen Zustand des Baumes oder das Verhalten der Tiere als Reaktion auf Umwelteinflüsse“, sagt Nauss. Die Sensoren an den Bäumen würden zum Beispiel die Wasserversorgung und das Kronenlicht messen, woraus sich etwas über den Blattzustand des Baumes aussagen ließe. Auch Umweltparameter wie Temperatur und Feuchte würden erfasst.

Der Wald, in dem das Ganze stattfindet, wurde der Uni übrigens vor über 400 Jahren geschenkt von ihrem Gründer, dem Landgrafen Philipp von Hessen, damit die Professoren Brennholz für den Winter schlagen können. Heute wird ein Teil der zwölf Hektar großen Fläche bewirtschaftet, der andere Teil dient Forschung und Lehre.     

Projekt schließt Lücke in der Forschung 

Das aktuelle Projekt schließt eine Lücke in der Forschung zum Zustand von Wäldern, sagt Nauss: die nämlich zwischen detailreicher Erfassung durch Expertinnen und Experten vor Ort und den Daten von Satelliten, die ganze Landstriche abbilden können. Das Problem sei, dass die einen nicht überall sein könnten und die anderen zu wenige Details lieferten, etwa zur Vogel- oder Spinnendiversität eines Waldes. Deshalb wisse man über den aktuellen Zustand vieler Wälder nicht genug.

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Der Wald-Knigge: Was geht im Wald und was nicht?

Wald am Großen Feldberg im Taunus
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In diese Lücke stößt nun das Projekt der Marburger Forscher: „indem wir an ganz vielen Orten in der Fläche Informationen sammeln können“, erklärt Nauss. „Nicht im Detailgrad, wie das eine Expertin oder Experte machen könnte, aber in einem höheren Detailgrad, als das momentan noch aus dem Weltall der Fall ist.“

Umweltschäden vorbeugen

Mit den gewonnenen Daten ließe sich schließlich ein Modell des Waldes in den Computer holen, das zuverlässigere Vorhersagen möglich mache als bisher: Wie verändert sich der Wald? Wie verändert sich der menschliche Einfluss auf den Wald? Wie reagieren Tiere auf Störungen und wie Bäume auf klimatische Schwankungen?

Dass dabei auch künstliche Intelligenz zum Einsatz kommt, versteht sich bei einem Hightech-Projekt wie Natur 4.0 fast von selbst. Algorithmen helfen, Anomalien in den ausgewerteten Daten schneller zu erkennen und sie dann vor Ort überprüfen zu können. Damit, sagt Nauss, kann man letztlich das Management des Waldes besser anpassen und Umweltschäden vorbeugen. Und das freut dann auch die Fledermaus.  

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hr-Thementag: "Unser Wald, unsere Zukunft"

In kaum einem anderen Bundesland gibt es so viel Wald wie in Hessen. Er ist für viele Menschen Teil ihres Lebens. Aber: Der Wald ist bedroht durch die Folgen des Klimawandels, durch Flächenverbrauch und durch Nutzungsdruck. Dabei brauchen wir den Wald - nicht nur als Wirtschaftsraum, sondern auch zur Erholung.
Der hr beschäftigt sich deshalb am Montag (25. April) in allen Radiowellen, im hr-fernsehen und Online mit dem Thema Wald. Wir fragen, welche Lösungen es für den Wald gibt und wer wie dazu beitragen kann, dass es auch in 100 Jahren noch genügend Wald in Hessen gibt.

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Das Interview führte Stephan Hübner im Marburger Universitätswald.

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