Jule Bandel ist für die Grünen im Stadtrat von Edinburgh

Jule Bandel kommt aus dem Vogelsberg und lebt seit rund sechs Jahren in Edinburgh. Ursprünglich wollte sie dort nur studieren, jetzt ist sie Stadträtin der schottischen Grünen und setzt sich für bessere Stadtplanung und die Unabhängigkeit Schottlands ein. Aber was treibt eine Deutsche dazu, sich für die schottische Unabhängigkeit einzusetzen und was bedeutet für sie der Begriff Heimat?

Als Jule Bandel am 23. Juni 2016 die Zusage für die Universität in Edinburgh bekommt, ist es nicht nur ein Tag der Freude. Am gleichen Tag wird nämlich offiziell: Großbritannien verlässt die EU. Ein Schock für die Hessin: "Ich hatte nicht erwartet, dass die die EU verlassen. Die werden es doch nicht wagen, so ein großes Risiko einzugehen." Aber die Briten wagten es doch und Jule Bandel fragte sich damals kurz, auf was sie sich mit der Zusage an der Uni nun eingelassen hat. Letztendlich blieb sie bei ihrer Entscheidung und ging zum Geografie- und Geschichts-Studium nach Schottland. Eine Entscheidung, die sie nie bereut habe.

Heute macht Bandel sogar ihren Master in Public Policy. Und im Mai ist die junge Hessin in den Stadtrat in Edinburgh gewählt worden. Aber wie kommt es dazu, dass eine Deutsche für einen Posten in einem schottischen Parlament kandidiert?

Selbst ist die Frau

"Anfang 2019 hatte ich mich mehr mit Politik auf internationaler und nationaler Ebene beschäftigt. Ausschlaggebend waren die Klimastreiks. Endlich bewegte sich was. Auch der Brexit war noch ein Thema, aber hier passierte nichts. Und da habe ich mir kurzerhand gedacht: Da muss ich selbst etwas machen." Politik auf kommunaler Ebene begeistert Jule Bandel, "weil du einfach so nah an den Menschen dran bist. Du siehst direkt die Ergebnisse." Und weil Bandel im Studium der Geografie unter anderem Städteplanung durchgenommen hat, legt sie ihren Fokus darauf, die Stadt lebenswerter zu machen. "Ich bin Mobilitäts- und Verkehrssprecherin und wir versuchen, die Leute mehr aufs Rad zu bekommen. Die Radwege bedürfen noch eines besseren Ausbaus, hier ist es noch nicht so weit, aber bei den öffentlichen Verkehrsmitteln ist Edinburgh schon recht weit. Bald soll auch eine Straßenbahn gebaut werden."

Dabei  regiert ihre Partei, die Grünen, in einer etwas ungewöhnlich anmutenden Koalition: Nämlich mit der Nationalpartei SMP. "Das kann man aber nicht mit einer Zusammenarbeit mit der AFD zum Beispiel vergleichen," so Bandel. Die Nationalpartei sei eher mitte-links ausgerichtet und sie empfinde die Regierung in Westminster als eher konservativ-rechts. Die SMP sei für Migration und bezahle deshalb unter anderem auch den Europäern die Studiengebühren. Überhaupt sei Edinburgh eine sehr europäische Stadt, die Einwanderer mit offenen Armen empfängt. Neben Jule gibt es zum Beispiel noch mehr Ausländerinnen im Stadtrat. Mit einer Portugiesin, die in der Nationalpartei ist, verstehe sie sich zum Beispiel sehr gut.

Als Schottin sieht sich Bandel aber noch nicht, wenngleich sie von ihren schottischen Mitbürgern gerne mal als "New Scot" – "Neue Schottin" bezeichnet wird. Das freut die gebürtige Vogelsbergerin: "Die Wiesen und Wälder um meinen Heimatort in Hessen sind Heimat, aber auch in meiner Ecke, wo ich in Edinburgh lebe, fühle ich mich zu Hause." Allgemein sieht sie sich eher als Europäerin. Und deshalb liegt ihr auch die Zukunft Schottlands am Herzen und die hängt auch mit dessen Unabhängigkeit von Großbritannien zusammen.

Durch die Unabhängigkeit zurück zur EU

Nach dem ersten Referendum zur schottischen Unabhängigkeit im Jahr 2014, das damals knapp dagegen ausgefallen war, soll es jetzt ein weiteres geben, auch wenn das rechtlich noch nicht final ist. In Jule Bandels Umfeld seien die meisten Menschen für die Unabhängigkeit. Sie glaubt zwar, dass besonders wegen des Brexits junge Leute prinzipiell dafür seien, insgesamt könnte aber auch dieses Mal knapp werden. Eines der Hauptargumente für die Unabhängigkeit, sagt Bandel, ist die dann gewünschte Rückkehr zur EU. Es sei natürlich überlebensnotwendig für Schottland, als kleines Land in die EU zu kommen, so Bandel. Zwar gebe es ein großes Ölvorkommen, aber Bandel als Grüne möchte natürlich vermeiden, dass hierauf zurückgegriffen würde.

Gewählt ist Bandel nun für 5 Jahre. In dieser Zeit möchte sie auch ihren Master zu Ende bringen und dann, so glaubt sie, wird sie auch bleiben: "Es gefällt mir hier sehr gut. Wenn ich mit dem Bus hoch zu meinem Arbeitsplatz fahre, denke ich: Es ist schon cool, dass ich hier leben kann."

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Das Interview führte Uli Höhmann

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