Psychologe Dieter Rohmann über Sekten-Aussteiger „Das fühlt sich an wie im freien Fall“

Menschen, die zu Dieter Rohmann kommen, fühlen sich verloren. Der Psychologe hilft ihnen, aus Sekten auszusteigen - und Worte für das Erlebte zu finden.
Aus einer Sekte wieder auszusteigen, ist nicht leicht. Deswegen holen sich manche dabei Unterstützung von dem Psychologen Dieter Rohmann. Der beschreibt diese Phase, in der sich die Aussteiger befinden, als "nicht-mehr-noch-nicht-Phase". Das bedeutet, dass die Kult-Aussteiger realisiert haben, dass die Erfahrungen im Kult nicht mehr tragfähig sind, aber dass die Rückkehr in die "uns bekannte Welt" noch nicht vollzogen wurde.
"Viele der Mitglieder und Aussteiger haben noch keine Worte für das, was ihnen wiederfahren ist", sagt Rohmann. Seine Aufgabe ist es dann, bei dieser Wortfindung zu unterstützen und das Geschehene zu verstehen und zu verarbeiten. In dieser Phase fühlten sich die Aussteiger wie im freien Fall. Emotionen wie Angst, Traurigkeit, Trauer spielten da eine große Rolle, sagt Rohmann. Und Fragen wie: Wie konnte ich zulassen, dass das mit mir gemacht wird? Das sei auch der Grund dafür, warum sich seine Klienten an diesem Punkt nicht einmal mehr selbst vertrauen würden.
"Eine Mitgliedschaft hat selten was mit Intellekt zu tun"
Rohmann versucht, die Angehörigen in diesem Prozess mit einzubeziehen. Sektenmitglieder haben häufig die Brücken zu Menschen außerhalb der Kult-Gemeinschaft eingerissen. Deswegen müssten Verwandte und Freunde gerade in dieser Zeit wieder Brücken bauen und die Kult-Aussteiger bei diesem Prozess begleiten. "Eine Mitgliedschaft hat selten was mit Ratio, Intellekt oder Logik zu tun", sagt Rohmann. Deswegen warnt er, dass niemand davor gefeit sei, von einer Sekte getäuscht zu werden. Die Menschen, die meinen, ihnen könnte so etwas nie passieren, seien sogar am gefährdetsten, sagt er.
Und der Psychologe Dieter Rohmann muss es wissen: Er selbst wurde Anfang der 1980er Jahre Mitglied der Sekte Kinder Gottes. Doch nach nur sieben Monaten stieg er wieder aus und fing im Anschluss an, für ein Aussteigerprogramm in Goa zu arbeiten. So kam er auch irgendwann zu seinem Beruf – nach Medienberichten über das Programm kontaktierte ihn eine Familie mit der Bitte, ihrer Tochter beim Ausstieg zu helfen. Sektenmitglieder beim Ausstieg zu helfen – der Beruf hat Dieter Rohmann gefunden und den übt er jetzt seit schon 40 Jahren aus.
Das Interview führte Stefan Bücheler.
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