Ricarda Lang

Viele Menschen vor allem auf dem Land seien skeptisch gegenüber der Politik ihrer Partei, sagt Lang. Als neue Bundesvorsitzende will sie die Grünen sozialer machen. Und sie muss Kompromisse vermitteln – der Parteibasis und der Klimabewegung. Schwierigkeitsgrad? 10 von 10, sagt Ricarda Lang.

Die neue Parteichefin der Grünen kommt aus Nürtingen im Schwabenland. Ihre Heimat hat sie schon länger verlassen, um in Berlin Karriere zu machen. Die Sorgen und Vorurteile vieler Menschen auf dem Land gegenüber grüner Politik kenne sie aber, sagt sie in hr-iNFO "Das Interview". "Viele sagen, die Ideen funktionieren vielleicht in Stuttgart und Berlin, aber ob die hier bei uns vor Ort funktionieren? Und viele denken, Grün wählen muss man sich leisten können.“

Die aktuellen Milchpreise kennt sie aber nicht und sie weiß auch nicht, wie teuer der Umstieg auf eine Wärmepumpe werden kann. Für Lang ist aber klar: Gerade in der Pflege und bei der Kinderarmut muss noch einiges getan werden. Sie will sich für bessere Tarifverträge und höhere Löhne einsetzen.

Lehren aus Wahlkampf ziehen

Im Wahlkampf sei es ihr und ihrer Partei nicht gelungen zu vermitteln, dass zum Beispiel mit dem Energiegeld der CO2-Preis an die Bürger und Bürgerinnen zurückgegeben werden sollte. Die Idee dahinter war, den CO2-Preis zu erhöhen, diejenigen, die weniger CO2 produzieren, weil sie kein Auto fahren oder in einer kleinen Wohnung leben, dafür aber stärker zu entlasten mit etwa 75 Euro jährlich. So sollten sie unterm Strich sogar mehr Geld in der Tasche haben. Das Energiegeld ist aber umstritten. Ein genaues Konzept fehlt. Lang setzt sich dafür ein, dass es noch in dieser Legislaturperiode kommt.

Ricarda Lang blickt sehr stark auf die Schwächsten der Gesellschaft. Als Tochter einer alleinerziehenden Mutter musste sie auf teure Urlaube und Klamotten verzichten. Das Klischee von der schlimmen Kindheit will sie aber nicht bedienen. Als Erfolge der neuen Bundesregierung wertet Lang die Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro und die geplante Kindergrundsicherung – beides auch Wahlversprechen der SPD. Die Grünen wollen stärkste linke Kraft in Deutschland werden. Dazu wird sich die Partei künftig breiter aufstellen müssen. Die neue Parteiführung wird dazu zunächst die Fehler im Bundestagswahlkampf aufarbeiten müssen.

Kompromisse vermitteln

Laut Ricarda Lang war es kein Fehler, das Kanzleramt für sich zu beanspruchen. Die Grünen seien damit aber ein riesiges Wagnis eingegangen. Es sei ein Kampf David gegen Goliath gewesen, mit Blick auf die Strukturen und die finanziellen Ressourcen ihrer Partei. Angesichts der Realität der Klimakrise und der großen Kinderarmut sei man aber der Meinung gewesen, dass es eine andere Politik braucht. Diesem Ziel seien die Grünen einige Schritte nähergekommen, seien aber noch nicht da.

Auch die Corona-Boni, die sich der Parteivorstand selbst ausgezahlt hatte, sollen aufgearbeitet werden – zunächst intern, auch mit einem externen Blick auf alle Fehler im Wahlkampf, und später würden die Lehren daraus auch öffentlich kommuniziert werden, verspricht Lang. Auch sie hatte die Einmalzahlung von 1500 Euro angenommen und später wie der gesamte Vorstand zurückgezahlt.

Langs Aufgabe wird es nun sein, die Kompromisse der Grünen, die sie im Koalitionsvertrag gemacht haben und auch künftig mit SPD und FDP eingehen werden müssen, der Parteibasis, der Fraktion und den Klimabewegungen wie „Fridays for Future“ zu vermitteln. Schwierigkeitsgrad eins bis zehn? Ganz klar: 10, sagt Lang.

 Nicht mehr mit Anfeindungen der AfD beschäftigen

Womit sich die 28-Jährige nicht mehr beschäftigen möchte, sind die Anfeindungen der AfD gegen sie. Immer wieder beleidigen AfD-Abgeordnete ihre Figur oder echauffieren sich über ihr nicht abgeschlossenes Jura-Studium. Bei ihrer ersten Rede im Bundestag sei sie tatsächlich noch einmal geschockt gewesen: „Ich würde eigentlich sagen, ich bin viel gewohnt. Mich schockiert nicht mehr so viel. Als ich dann aber vorne stand, ist die AfD vollkommen ausgerastet. Das hat mich noch mal schockiert, wie stark da mit Feindbildern gearbeitet wird.“

Ricarda Lang hat entschieden, dass sie sich nicht von denen definieren lassen will, die versuchen, ihr ihre Kraft und Zeit zu rauben. Ihr Büro hat nun die Aufgabe, strafrechtlich relevante  Aussagen und Kommentare in den Sozialen Medien zu ihrer Person anzuzeigen. Sie selbst sei mittlerweile abgehärtet und gehe ihren eigenen Weg.

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