Vitor Gatinho

Er spricht über Bauchweh, Einschlafprobleme und Ohrenschmalz: Vitor Gatinho ist Kinderarzt in Frankfurt und einer der bekanntesten Medizin-Influencer. In seinen Videos klärt er auf über Krankheiten und gibt Eltern Tipps. Was den sonst so optimistischen Gatinho schwarz sehen lässt: der Umgang mit Kindern in der Pandemie.

Es war einer dieser Abende, mitten im Corona- Lockdown 2020. Zu Hause war es langweilig. Vitor Gatinho hatte kein Hobby, die Kinder waren im Bett, auf dem Fernseher flimmerte eine Serie. Der Frankfurter Kinderarzt daddelte im Handy und betrachtete sich die kurzen, witzigen Videos auf TikTok. „Ach komm, machste auch mal so ein Video! Das ist doch bestimmt informativ und lustig“, dachte er sich.

Unter dem Namen Kids.Doc postete er seine ersten Videos auf TikTok und Instagram. Vielleicht bekommt er ja 10.000 Follower zusammen, überlegte er. Seine Idee: Eltern sollen Kinder besser verstehen. „Ich sehe mich als Übersetzer aus den Sachen, die Kinder machen und tun oder von Krankheiten, Symptomen, die sie zeigen“, erklärt er. „Meine Frau sagt immer: 'Du bist zwölf geworden und danach nur noch äußerlich gealtert und haariger geworden.' Das passt ganz gut.“

Kinderkrankheiten in einfachen Worten

In seinen Videos geht es um Bauchweh bei Babys, um Einschlafprobleme bei Kindern oder auch mal um Ohrenschmalz. Gatinho stößt dabei auf eine Resonanz, die er selbst niemals für möglich gehalten hätte: Eineinhalb Jahre später hat sein Instagram-Account über 300.000 Follower. „Das hat mich sehr überrascht“, sagt er. „Ich glaube, dass viele Eltern, wenn sie in die Praxis gehen, sich nicht trauen, viele Fragen zu stellen“, sagt er. „Jeder kennt den Alltag in Kinderarztpraxen: Es muss schnell gehen, dort sind viele kranke Kinder. Da kann man nicht jedes Wehwehchen ansprechen und da bleiben viele Zweifel.“ Gatinho beantwortet deshalb im Netz zahlreiche Fragen zu Kindergesundheit, klärt über Erziehungsmythen auf und informiert in einfachen Worten über Kinderkrankheiten.

Der 39-jährige Mediziner ist in Frankfurt Höchst aufgewachsen. Seine Eltern sind in den 70er Jahren aus Portugal nach Deutschland ausgewandert. „Meine Eltern konnten nicht so gut Deutsch, deshalb musste ich schon sehr früh zu Amtsgängen und überall hin, weil ich alles übersetzen musste. Also die typische Arbeiter- und Einwandererfamilie“, erzählt er. Er war der Erste in der Familie, der aufs Gymnasium ging, Führerschein machte und studierte. „Ich war irgendwie immer so der Pionier. Natürlich waren immer alle stolz auf mich, aber ich hatte auch so das Gefühl, ich bin in der Bringschuld. Ich wollte ihnen beweisen, dass es sich rentiert hat, in mich zu investieren.“

Eine Klatsche in die Gesichter der Kinder

Vitor Gatinho ist ein positiver Mensch. Manchmal impulsiv, meist sprudelnd vor Energie. Doch eine Sache macht ihn derzeit wirklich wütend: der Umgang mit Kindern in der Corona-Pandemie. „In dieser Corona-Zeit sind die Kinder von Anfang an behandelt worden, als wären als wären sie die Pestbringer“, schimpft er. Erst seien sie weggesperrt worden, jetzt müssten sie permanent Maske im Unterricht tragen, während mehrere tausend Erwachsene in Fußballstadien zusammenkommen dürften. Das sei eine Klatsche in die Gesichter unserer Kinder, die diese Pandemie „relativ“ gut überstanden hätten.

In der Politik und der Gesellschaft seien die Kinder in der Pandemie viel zu wenig gesehen worden, sagt der Kinderarzt und Vater von zwei Söhnen. „Ich sehe jeden Tag in der Praxis Kinder, die vorher fröhlich waren, kleine Kinder, Jugendliche, jedes Alter, die depressiv sind, Angststörungen bekommen, Waschzwänge, die plötzlich Angst haben, in die Schule zu gehen. Alles aufgrund dieser Pandemie und dieser permanenten Angst“, erzählt er.

"Ein Bumerang, der uns ganz derb ins Gesicht fällt"

Was die Zukunft dieser Kinder und Jugendlichen angeht, sieht der sonst so optimistische Gatinho schwarz. Zu sehr fehlten den Kindern während der Pandemie Gleichaltrige, verlässliche Tagesstrukturen und unbeschwerte Momente als Kind. „Wir werden in einigen Jahren so viele große Probleme auf uns zukommen sehen. Diese ganze Generation, die jetzt durch die Pandemie musste, die wird auch älter. Und das wird man nicht vergessen“ warnt er. „Das wird ein Bumerang, der uns ganz derb ins Gesicht fällt.“

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