Der damalige Bundeskanzler Willy Brandt (r), der damalige Bundesaußenminister und Vizekanzler Walter Scheel (l) und der damalige Staatssekretär Egon Bahr (M) studieren Akten vor der Sitzung über die Billigung der Ostverträge im Bundesrat in Bonn.

Mit den sogenannten Ostverträgen sollte die starre Blockkonfrontation zwischen Ost und West in den 70er Jahren aufgeweicht werden. Der Blick auf den "Wandel durch Annäherung" hat sich angesichts des Ukraine-Kriegs jedoch auch innerhalb der SPD geändert.

„Mit dem Beschluss, den wir soeben gefasst haben, ist das Ratifikationsverfahren zum Moskauer und Warschauer Vertrag vor den gesetzgebenden Körperschaften in der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen." Das sagte der Präsident des Bundesrats, Hans Koschnik, 1972 nach der entscheidenden Abstimmung in der Länderkammer zu den Ostverträgen.

Ära der Entspannungspolitik zwischen Ost und West

Mit dem sogenannten Moskauer Vertrag, dem Herzstück der Ostverträge, der schon 1970 unterzeichnet wurde, begann die Ära der Entspannungspolitik zwischen Ost und West. Unter dem Eindruck des Wettrüstens zwischen den USA und der UdSSR setzte die sozial-liberale Bundesregierung unter Willy Brandt auf Deeskalation zwischen den Supermächten. "Das deutsche Volk braucht den Frieden im vollen Sinne dieses Wortes auch mit den Völkern der Sowjetunion und mit allen Völkern des europäischen Ostens", sagte Bundeskanzler Brandt damals.

Im Moskauer Vertrag wurde ein gegenseitiger Gewaltverzicht zwischen Bundesrepublik und Sowjetunion festgeschrieben. Und: Die bestehenden Grenzen zwischen DDR und Bundesrepublik wurden als unantastbar eingestuft. An die Deutschen gerichtet sagte Brandt: "Europa endet weder an der Elbe noch an der polnischen Ostgrenze. Russland ist unlösbar in die europäische Geschichte verflochten, nicht nur als Gegner und Gefahr, sondern auch als Partner – historisch, politisch, kulturell, ökonomisch."

Heftige Diskussionen in der deutschen Innenpolitik

Die Sowjetunion als Partner mitten im Kalten Krieg? Diese Absichtserklärung löste heftige Diskussionen in der deutschen Innenpolitik aus. Die Union warf Brandt einen Ausverkauf deutscher Interessen vor. Millionen Vertriebene müssten durch die Verträge endgültig auf ihre Heimat verzichten. "Zu diesem unvöllständigen, in Leistung und Gegenleistung unausgewogenen, im Inhalt missdeutbaren Vertragswerk, sagen wir, die CDU/CSU, in aller Verantwortung: so nicht!", sagte CDU-Chef Rainer Barzel im Bundestag.

Aber auch in Brandts sozial-liberaler Koalition gab es Streit. Mehrere Abgeordnete wechselten wegen der Ostpolitik sogar ins Unionslager. Ein Misstrauensvotum gegen Brandt im Bundestag scheiterte knapp. Dass die Ostverträge den Bundestag doch passierten, lag nur daran, dass die Union sich bei der entscheidenden Abstimmung enthielt. Zuvor hatte die Bundesregierung eingewilligt, dass die Grenzen Deutschlands endgültig erst in einem Friedensvertrag festgeschrieben werden sollten.

"Wandel durch Annäherung ist gescheitert"

Nach ihrer Einsetzung dienten die Ostverträge jedoch als Blaupause für viele weitere Übereinkommen zwischen den beiden deutschen Staaten, darunter diverse Transitabkommen. Ohne Ostverträge hätte es auch keine deutsche Wiedervereinigung gegeben, glauben viele Historiker heute. 

Seit Beginn des Ukraine-Kriegs hat sich die Wahrnehmung der Entspannungspolitik jedoch erneut geändert. Die Ostpolitik der SPD sei ein Scherbenhaufen, hört man jetzt vor allem aus dem konservativen Lager. Auch der SPD-Vorsitzende Klingbeil gibt zu, das Konzept "Wandel durch Annäherung" sei gescheitert.

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