Alltagsproblem Armut Wenn der Pudding im Regal bleiben muss

Immer mehr Menschen in Hessen gelten als arm. Das heißt bei einer Alleinerziehenden mit zwei kleinen Kindern, das Nettoeinkommen liegt unter 1801 Euro pro Monat. Und es heißt, jeden Euro zweimal umzudrehen. Eine junge Mutter von der Bergstraße erzählt von ihrem Alltag mit wenig Geld.
Als Sarah Müller die Tür zu ihrer Wohnung öffnet, streicht eine schwarze Katze um ihre Beine. Ihre beiden Söhne sind gerade beim Handball, erzählt die 31-Jährige, und führt zu sich ins Wohnzimmer. An den Wänden hängen große Fotoabzüge ihrer Kinder, als Babys, als Kleinkinder und als Jungs im Grundschulalter.
350 bis 400 Euro pro Monat nach Abzug der Fixkosten
Sarah Müller, die eigentlich anders heißt, setzt sich auf ein orangefarbenes Sofa und zieht ein Bein hoch. Dann erzählt sie: "Ich hab Bäckereifachverkäuferin gelernt und hab da drin zwei bis drei Jahre gearbeitet, bis ich schwanger geworden bin." Vor acht Jahren kommt ihr erster Sohn auf die Welt, kein Jahr später der zweite. Seitdem ist Sarah Müller alleinerziehend. Arbeiten gehen kann sie gerade nicht, sagt sie. Denn ihre beiden Söhne gehen auf die Förderschule – und der eine wird dort gerade nur von acht bis elf Uhr betreut. Zu kurz für Sarah Müller, um in der Zeit arbeiten zu gehen.
Fast jeder Sechste gilt in Hessen als arm. Das geht aus dem Armutsbericht hervor, den der Paritätische Gesamtverband im Dezember veröffentlicht hat.
Ende der weiteren InformationenDeshalb lebt sie von Sozialleistungen: Sie bekomme Kindergeld, Unterhaltsvorschuss und Hartz IV. So etwa zwischen 350 bis 400 Euro im Monat nach Abzug der Fixkosten. "Das ist nicht viel, und dann soll man davon noch Kleider und Schuhe kaufen oder eine Waschmaschine oder Rücklagen bilden", sagt Sarah Müller. "Und dann kriegt man noch vom Arzt gesagt, man soll sich gesund ernähren, weil man übergewichtig ist. Das funktioniert nicht so einfach."
Essen von der Tafel
Für Sarah Müller heißt das: Jeden Euro zweimal umdrehen. Essen bekommt sie von der Tafel, zusätzlich ist sie auch in Gruppen aktiv, wo übrige Lebensmittel vermittelt werden. "Also ich kann jetzt nicht sagen: Oh, da ist ein Pudding, der schmeckt lecker, den hätte ich jetzt gerne. Ich muss gucken, dass ich eine Liste habe und damit dann schauen, was ich einkaufen kann."
Auf den Campingurlaub im vergangenen Jahr hat Sarah Müller zwei Jahre gespart, erzählt sie. Je älter die Kinder werden, desto schwieriger findet sie diesen Lebensstil, erzählt die junge Frau. "Vor kurzem waren wir in der Kur und da hat man das schon gemerkt: Die anderen Eltern haben ihren Kindern irgendwas gekauft im Hofladen und meine haben das gesehen. Die haben mich nicht angesprochen, weil sie genau wussten, was los war. Aber man hat es ihnen schon angesehen. Ich versuche dann halt immer, Weihnachten und Geburtstage größer zu machen."
Ein halbes Jahr vor Weihnachten anfangen zu sparen
Das heißt: Gut ein halbes Jahr vorher fängt Sarah Müller an, für Geschenke zu sparen. Normalerweise nimmt sie dafür auch Geld aus der Rückzahlung ihrer Nebenkosten. Doch weil die Energie- und Wasserpreis gestiegen sind, hat sie dieses Mal kaum etwas zurückbekommen. Also steckt sie selbst zurück. Dass sie selbst etwas für sich gekauft habe, neue Kleidung etwa, das sei "schon so lange her, wie meine Kinder auf der Welt sind. Weil ich mir einfach nichts Neues leisten kann."
Trotzdem würde sie sich selbst im ersten Moment nicht als arm bezeichnen. "Solange ich ein Dach überm Kopf hab, nicht", sagt sie. "Aber wenn ich jetzt wieder sehe: Ich hab nur kaltes Wasser im Badezimmer, dann schon." Sie hätte noch nicht mal warmes Wasser in der Küche, wenn sie nicht einen Boiler gekauft hätte. Ihr einiger Luxus sind die beiden Katzen, räumt sie ein. Sie streichelt das schwarze Fell. Aber die beiden sind aus ihrem Leben eben einfach nicht mehr wegzudenken.