Ukrainische Flagge neben der EU Flagge - Das Thema

Mit Russlands Angriff auf die Ukraine ist die Welt über Nacht eine andere geworden. Dies sei eine der dunkelsten Stunden für Europa seit dem Zweiten Weltkrieg, erklärt der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Die Europäische Union werde mit aller Härte reagieren. Aber wie einig ist sie dabei aufgetreten?

Seit der Annexion der Krim 2014 hatte die EU eher bescheidene Maßnahmen gegen Russland verhängt und sich von Moskau jahrelang diplomatisch demütigen lassen. Mit Kriegsbeginn aber legt die EU den Schalter um. Die Mitgliedstaaten einigen sich in fast atemloser Folge auf die schärfsten Sanktionen, die Europa bis dato beschlossen hat.

"Das wird Russland ruinieren", sagt Bundesaußenministerin Annalena Baerbock Ende Februar in Brüssel. Die EU beschneidet Russlands Zugang zu ihren Kapitalmärkten, blockiert Devisenreserven, will Russlands Industrie schwächen. Viele russische Banken werden aus dem Zahlungssystem SWIFT ausgeschlossen, auch die Zentralbank wird mit Sanktionen belegt. All das soll es dem russischen Präsidenten Putin erschweren, den Krieg gegen die Ukraine zu finanzieren.

"Wendepunkt für die Union"

Der Place Luxembourg vor dem EU-Parlament in Brüssel gleicht Anfang März für wenige Stunden dem frühen Euromaidan von Kiew – Hunderte schwenken blau-gelbe ukrainische und europäische Fahnen. Drinnen im Plenarsaal schwört der Außenbeauftragte Josep Borrell die Abgeordneten auf Europas Rolle in diesem Krieg ein: "Dies ist der Moment, in dem das geopolitische Europa geboren wird. Es ist der Moment, in dem wir uns der Herausforderungen bewusst werden, die vor uns liegen."

Tatsächlich fällt ein Tabu nach dem anderen: EU-Mitgliedstaaten können Waffen an die Ukraine liefern über die Friedensfazilität, einen mittlerweile zwei Milliarden Euro schweren Finanztopf, auf den Weg gebracht in weniger als einem Tag. Und: Bundesinnenministerin Nancy Faeser und ihre Amtskolleginnen und –kollegen brauchen nur wenige Stunden, um die bislang nie angewandte Massenzustromrichtlinie zu beschließen. Nach dieser können, wie Faeser erklärt, "die Menschen aus der Ukraine ganz unbürokratisch einen Aufenthaltsstatus erhalten und in den EU-Ländern aufgenommen werden."

"Dies ist ein Wendepunkt für unsere Union", erklärt Ursula von der Leyen im EU-Parlament. "Unsere Sicherheit, der Schutz unserer Bevölkerungen – das alles ist nichts Selbstverständliches. Wir müssen sie verteidigen, wir müssen in sie investieren, und wir müssen unseren Teil der Verantwortung übernehmen."

Orban stellt sich quer

Die Pläne der Kommission bekommen neuen Schub durch die Sanktionen gegen Russland: Auf den Ausstieg aus russischer Kohle konnten sich alle 27 EU-Länder erstaunlich schnell einigen. Beim nun geplanten Embargo von russischem Öl aber treten die alten Risse wieder offen zutage. Vor allem Ungarn sperrt sich vehement mit Verweis auf große Abhängigkeiten, fordert viele Milliarden Ausgleichszahlungen.

Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis vermutet dahinter einmal mehr Machtspiele von Ungarns Regierungschef Viktor Orban: "So wird man sich an uns erinnern: entweder an die Europäische Union, die vorangegangen ist und eine klare Botschaft an Russland gesandt hat. Oder an eine EU, die auf halbem Wege steckengeblieben ist." Leider werde die gesamte EU von einem Mitgliedsland in Geiselhaft genommen, das nicht willens oder nicht in der Lage sei, zu einem Konsens zu verhelfen.

Trotz aller Europa-Aufbruchsstimmung, trotz aller Einigkeit zumindest über die ersten Maßnahmen gegen Russland: Die EU bleibt weiter mit ihrem Grundproblem konfrontiert. Vertragsgemäß müssen Sanktionen einstimmig beschlossen werden. Und daran haben auch drei Monate Krieg in der Ukraine nichts geändert.

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