Erzwungener Jobwechsel in der Pandemie "Zurückwechseln kann ich mir im Moment nicht vorstellen"

In der Corona-Zeit mussten sich reihenweise Beschäftigte aus Gastro- und Veranstaltungsbranche neue Jobs suchen. Nun sind die Restaurants wieder offen, Partys finden wieder statt - doch die Unternehmen tun sich schwer, Leute zu finden. Viele haben nämlich gemerkt, dass es in anderen Branchen wesentlich stressfreier und teils sogar besser bezahlt arbeitet. Welche Auswirkungen hat das?
Eigentlich ist Paul Teamleiter in einem Freizeitcenter und hat Ausflüge organisiert, zum Beispiel in Nordhessen. Doch dann kam Corona und nun hat er, wie er selbst sagt, die Schnauze voll von der Eventbranche. "Ich habe schnell einen neuen Job gefunden: Ich transportiere Corona-Proben von den Ärzten zum Labor. Für mich war das gut. Ich habe jetzt feste Arbeitszeiten, das schätze ich sehr."
Und Paul ist kein Einzelfall. Es sind vor allem Beschäftigte aus der Gastronomie, der Eventbranche oder dem Securitybereich, die nun im neuen Job in anderen Branchen zufriedener sind. Die Gründe sind alle ähnlich: weniger Stress, geregeltere Arbeitszeiten, teils auch mehr Gehalt. Für Paul ist der alte Beruf erstmal keine Option mehr: "Zurückwechseln? Das kann ich mir zumindest im Moment nicht vorstellen, auch wenn ich weniger Geld verdiene."
Erfolgsrezept: Gute Arbeitsbedingungen
Doch nun, wo die Restaurants, Clubs und Messen wieder gerne richtig loslegen wollen, fehlt ihnen das gekündigte Personal. Markus Urig, der unter anderem das Restaurant auf dem Gießener Schiffenberg betreibt, berichtet: "Wir haben allein 15.000 Euro für Stellenanzeigen ausgegeben. Von Alsfeld bis in die Wetterau. Und das Erschreckende war: Wir hatten einen Anruf."
Urig sucht nicht nach Ersatz für gekündigte Beschäftigte. Er hat in der Pandemie all sein Personal halten können – Dank zum Teil außergewöhnlicher Ideen wie einem Kloster-Drive-In. Nun will er expandieren. Das Erfolgsrezept seiner Meinung nach: gute Arbeitsbedingungen. "Man sollte da gar nicht mehr darüber nachdenken. Es ist wirklich wichtig, dass die sozial abgesichert sind. Wir stellen zum Beispiel lieber fest ein als auf Minijobbasis. Dann bleiben die lange erhalten."
Markus Urig sagt, er beteiligt sein Personal beispielsweise, wenn er Dienstpläne erstellt. Und er zahle oft deutlich mehr als andere in der Branche. Auch bei der Wohnungssuche hilft er. Das zahlt sich dann aus: Mittlerweile hat er zwei neue Köche gefunden. "Ich glaube das muss immer mehr gemacht werden in der Branche. Es muss einen Mehrwert haben, am Sonntag nicht bei ihrer Familie zu sein, sondern hier oben."
Steigen die Löhne?
Ähnlich sieht es Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Die andauernde Personalknappheit könnte Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen und Gehälter zeigen: "Wenn die Konkurrenz um die Arbeitskräfte steigt, wird man das auch an den Löhnen sehen. Das hat man auch schon gesehen: In den 2000ern sind die Löhne stärker gestiegen als in den 90ern, als wir noch Massenarbeitslosigkeit hatten."
Allerdings, sagt Weber, wird es erst einmal keine allzu großen Sprünge bei den Gehältern geben. Zu stark hat die Pandemie finanziell in der Servicebranche durchgeschlagen. "Man muss auch sehen, die Gastronomie hat sehr viel Beschäftigung abgebaut. Und das jetzt so schnell reinzuholen auf einen Schlag, das gibt der Arbeitsmarkt nicht her. Und es müssen vielleicht auch nicht dieselben sein, die kommen."