Super-Inflation in der Türkei "Ich mache mir Sorgen um das türkische Volk"

In der Türkei steigt die Inflation immer weiter an. Lebensmittel, Wohnen - alles wird teurer und ist für viele nicht mehr zu stemmen. Verwandte, die in Deutschland leben, schicken Geld, um zu helfen. Doch das sei nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, sagen sie.
Eins fällt bei meiner Tour durch türkische Läden und meinen Umfragen unter türkischstämmigen Frankfurtern sofort auf: Nicht jeder will sich zu der angespannten Wirtschaftslage in der Türkei vor einem Mikrophon äußern. Und die, die es tun, sind sehr beunruhigt: "Das war bis jetzt noch nie so schlimm in der Türkei", sagt eine Frau. Dass der Verdienst nicht ausreicht, die Sachen würden immer teurer.
Auch gut Verdienende stöhnen
Sie kommen einfach nicht über die Runden, sagt Metin, der schon sehr lange hier lebt. Seine Verwandten wohnen in der Mitte der Türkei, in der Provinz Sivas. "Auch Verwandte, denen es finanziell ganz gut geht, stöhnen alle", sagt er. "Wenn die Stromrechnung von einen Monat auf den anderen um das Vierfache steigt, haben auch die große Probleme." Fast alle Verwandten und Bekannten in der Türkei, wird mir erzählt, sparen gerade, wo sie können. An Strom, Öl und Gas, aber auch an Lebensmitteln. Die Leute würden die Lebensmittel auf Vorrat kaufen, weil die Preise am nächsten Tag oft schon wieder höher seien.
"Mein Bruder fragt auch immer nach, wie viel kostet in Deutschland ein Kilo Kartoffeln oder Tomaten? Wenn ich ihm das sage, dann sagt er, bei uns ist es noch teurer als in Deutschland", sagt Hava und schüttelt den Kopf. Da helfe es auch nicht, dass die Türkei gerade die Mehrwertsteuer auf viele Lebensmittel gesenkt hat. Auch Farhad macht sich Sorgen. Klar, sagt er, Sprit sei teurer, Öl, und deshalb auch das Essen, das transportiert werden muss. In Istanbul, höre er, seien immer mehr Menschen auf Hilfe angewiesen. "Istanbul organisiert Brot für arme Leute, und da sieht man schon Schlangen davor."
Geld aus Deutschland für die Verwandtschaft
Ein Onkel von Farhard ist gerade arbeitslos. Wenn Farhard kann, hilft er ihm. Das machen auch viele anderen, die ab und zu Geld schicken, wie Metin und seine Freunde: "Also, wir haben ein paar Verwandte da unten, die teilweise wegen politischen Äußerungen arbeitslos geworden sind. Oder denen es gesundheitlich nicht so gut geht. Da haben wir natürlich hier, unter den Freunden und Verwandten, Geld gesammelt. Das ist aber wie gesagt nur ein Tropfen auf den heißen Stein."
Aber selbst ein Tropfen auf dem heißen Stein ist immerhin ein Tropfen - so sieht es Hava: "Diejenigen, die keine Verwandtschaften oder keine Geschwister in anderen Ländern haben, die haben ehrlich gesagt große Schwierigkeiten, weil das geht um Leben."
Schlechtes Gewissen im Urlaub
Hier in Deutschland trifft die Krise in der Türkei niemanden direkt. Der Euro ist stabil, und Urlaub, sagen die meisten, machen sie da, wo die Touristen sind. Allerdings, sagt Farhard, will und kann er sich diesen Luxus angesichts der Krise gar nicht wirklich leisten. "Wenn ich so in die Städte reinfahre und ich merke, dass es den Leuten nicht so gut geht, und wenn ich im Restaurant sitze und esse, habe ich ein schlechtes Gefühl, weil viele sich das nicht leisten können. Und das macht auch traurig." Mit gutem Gewissen könne er dann nicht essen.
Farhard und auch Hatje wollen ihr Geld beim nächsten Heimatbesuch für andere einsetzen. Denn Sorgen machen sie sich nicht nur um die Verwandtschaft, sondern um alle: "Ich lebe hier seit 40 Jahren, aber man denkt immer noch: Heimat." Auch Farhard geht das so: "Ich mache mir auch Sorgen um meine Verwandten, oder überhaupt, um das türkische Volk. Die haben das nicht verdient, und ich finde es schade einfach."