Mann sitzt beim Augenarzt

Finanzinvestoren haben in den vergangenen Jahren Hunderte Arztpraxen in Deutschland aufgekauft. Mediziner und Politiker sind besorgt, dass eine gute medizinische Versorgung so von Renditeversprechen in den Hintergrund gedrängt wird.

Welche Vorteile und Nachteile haben private Investoren? Und wie kommen sie überhaupt an Arztpraxen? Antworten auf die wichtigsten Fragen finden Sie hier.

500 Praxen in der Hand von internationalen Private Equity-Gesellschaften - und das nur im Bereich der Augenheilkunde. Damit hat sich die Zahl in den vergangenen drei Jahren verdreifacht. Doch Finanzinvestoren übernehmen auch Praxen von Zahnärzten, Radiologinnen, Orthopäden, Gynäkologinnen, Nierenfachärzten, Internisten und Allgemeinmedizinerinnen. Das zeigt eine Recherche des ARD-Magazins Panorama.

Bundesländer fordern Beschränkung

Die Strategie ist einfach: Investoren kaufen Arztpraxen, schließen sie zu einem größeren Konzern zusammen und verkaufen diese dann in ein paar Jahren für einen höheren Preis. Das Problem dieses System geht mutmaßlich zu Lasten der Versorgung und damit zu Lasten der Patienten und Patientinnen.

Auch in der Politik ist das Thema angekommen. Im November 2021 haben die Gesundheitsminister der Länder einen gemeinsamen Beschluss herausgegeben. Dort fordern sie das Bundesgesundheitsministerium auf, mehr Transparenz zu schaffen und mit einer Gesetzesinitiative den Ankauf weiterer Praxen zu beschränken.

Vorschläge von CSU und Linken

Besonders laute Kritik am Umgang mit investorengeführten medizinischen Versorgungszentren (MVZ) kommt aus Bayern. Gesundheitsminister Klaus Holetschek sieht die Verantwortung beim Bund: "Wir haben beim Bund angeregt, dass wir eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe gründen zum Thema wie gehen wir denn in der Zukunft mit diesen investorengetriebenen MVZ um?" Bestimmte Facharztgruppen wie die Augenheilkunde oder Nephrologie würden schon ziemlich dominiert werden von den MVZ. Deshalb fordere er, erst mal Transparenz zu schaffen: "Wer steckt dahinter? Wie sind die Kapitaldinge verteilt? Ich glaube, das ist ein Thema, das sogar unstrittig ist", meint Holetschek.

Mit seinen Forderungen ist der CSU-Politiker jedoch nicht der Erste. Schon 2019 stellte die Linksfraktion im Bundestag einen Antrag für ein Melderegister von investorengeführten Arztpraxen - jedoch ohne Erfolg. Der Antrag wurde von SPD, CDU, FDP und AfD abgelehnt, die Grünen enthielten sich. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Katrin Vogel, sieht die neue Dynamik in der Debatte zwiegespalten: "Ich finde es einfach ärgerlich, dass so viel Zeit vertan wurde. Ansonsten bin ich eigentlich ja immer eher froh, wenn unsere Vorschläge von den anderen Parteien auch aufgegriffen werden und dann vielleicht auch irgendwann umgesetzt werden. Insofern habe sie ein lachendes und ein weinendes Auge: "Das lachende, dass endlich was vorwärts geht und das weinende, dass so lange gemauert wurde, weil es halt eine Idee von der Linken war."

Keine Antwort aus dem Gesundheitsministerium

Es zeigt sich: Die Forderungen nach einem staatlichen Eingreifen gehen über die Parteigrenzen hinaus. Dennoch ist bisher wenig aus dem Bundesgesundheitsministerium zu hören. Gerne hätten wir Gesundheitsminister Karl Lauterbach mit den Vorwürfen konfrontiert. Eine Interviewanfrage wurde jedoch abgelehnt.

Auch der Druck von Ärzten und Ärztinnen auf die Politik wächst. Seit Jahren warnen Verbände vor Praxisübernahmen durch Finanzinvestoren. Deshalb fordert der Bundesvorsitzende des Virchowbundes, Dirk Heinrich, "dass wirklich die Versorgung mit medizinischen Leistungen in den Vordergrund gestellt wird. Und das bedeutet, dass man auch von privaten Investoren erwarten muss, dass sie den gleichen Versorgungsauftrag übernehmen wie ein selbstständiger, niedergelassener Arzt oder eine selbstständig niedergelassene Ärztin."

Vorschläge, wie Praxisübernahmen durch Investoren eingeschränkt werden können, gibt es viele. Es liegt am Bundesgesundheitsministerium zu reagieren. An mangelnder Unterstützung von Verbänden und Parteien wird es auf jeden Fall nicht scheitern.

Fragen und Antworten: Investorengeführte medizinische Versorgungszentren

Von Davide Di Dio

Wie kommen Investoren an Arztpraxen? 

Eine Gesetzänderung 2004 hat es möglich gemacht: Das Gesundheitsmodernisierungsgesetzt, das von der damals Rot-Grünen Regierung erlassen wurde, machte es Ärzten möglich, sich in einem Verbund zusammenzuschließen und Arztpraxen sozusagen als Unternehmen zu führen. Später, so ab ungefähr 2016, kommen sogenannte Private-Equity-Firmen, also private Investoren, darauf, dass sich Arztpraxen vielleicht ja als gute Anlage-Objekte eignen könnten. Zwischendurch, 2015, wurde dann noch von der Großen Koalition ein Gesetz für Zahnarztpraxen erlassen, dass auch Nicht-Ärzte zahnärztliche Versorgungszentren besitzen dürfen. Das viele Geld, das durch die Niedrigzinspolitik der EZB im Umlauf ist, musste ja irgendwo hin. Ab da nimmt die Geschichte ihren Lauf. 

Welche Vor- und Nachteile haben private Investoren? 

Vorteile von medizinischen Versorgungszentren gab es zunächst einige: geregelte Arbeitszeiten, vor allem für junge Ärzte und Arztinnen, aber auch eine bessere Versorgung von Patienten versprechen die MVZ, weil dort ja verschiedene Disziplinen an einem Ort arbeiten. Alles aus einer Hand sozusagen. Außerdem bringen Investoren ja auch Geld, das für moderne Technik genutzt werden kann. So ist das MVZ immer auf dem neuesten Stand. 

Mit der Zeit wurden aber immer wieder Fälle bekannt, bei denen Ärtze zum Beispiel Behandlungen durchführten, die gar nicht notwendig waren. Grund dafür: Ärzte und Arztinnen stehen möglicherweise unter dem Druck, profitabel zu sein. Genauso wie das Krankenhaus oder das MVZ selbst, das zum Beispiel aus Kostengründen entscheiden könnte, Personal zu entlassen und die medizinische Versorgung dadurch zu beeinträchtigen.

Welche Meinungen gibt es dazu? 

Der Vorstand der Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, mahnt zur Vorsicht. Ganz gleich wie groß eine Praxis sei oder wer sie betreibe, allein die Qualität der Therapie sei entscheidend. Der Bundesverband Deutscher Zahnärzte wird dagegen deutlicher. Bundesvorsitzender Harald Schrader sagt: Freiberuflich selbstständige Praxen sind das Rückgrat der medizinischen Versorgung. Wenn sie einmal weg sind, baut sie niemand wieder auf. Kaweh Schayan-Araghie vom Verband der Betreiber medizinischer Versorgungszentren ist entsprechend positiver eingestellt: "Keiner von uns ist darauf aus, schnelles Geld zu machen", sagt er. Ein Unternehmen werde nur wertvoller, wenn der Ruf und die Qualität gut sei. 

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