Anbau unter Folie Gut für den Spargel, schlecht für die Umwelt

Viele Ackerflächen im hessischen Ried verschwinden derzeit unter Folie. Anders sei der Spargel- und Erdbeeranbau nicht mehr rentabel, sagen Landwirte. Umweltschützern ist das ein Dorn im Auge.
Leise flattert die weiße Folie in der lauen Frühlingsluft. Hinten auf dem Feld haben Erntehelfer Teile der langgestreckten Spargeldämme abgedeckt. Hier werden gerade die weißen Stangen aus dem Boden gestochen. Die Felder gehören Stefan Appel. Er baut hier in Darmstadt Arheilgen auf rund 30 Hektar Spargel an.
Folienfetzen in Boden und Vogelnestern
Für ihn sei die Folie eine Arbeitserleichterung, sagt er: "Einmal für die Leute - ohne Folie müssten sie zweimal am Tag gehen, weil jeder Spargel, der rausguckt, sich blau verfärbt. Das haben sie unter der Folie nicht, die bleiben da zwei Tage lang weiß." Ein weiterer Vorteil sei, dass man so nicht mehr - wie früher - alle zwei Wochen neue Dämme ziehen müsse, weil Unkraut obendrauf gewachsen sei und man so den Spargel nicht mehr gesehen habe.
Naturschützer zum Beispiel vom NABU in Groß-Gerau sehen die Entwicklung durchaus kritisch: Feldlerche, Grauammer, Rebhühner und Kiebitze werden immer seltener. In den letzten 40 Jahren sei der Bestand dieser Vögel um 80 bis 90 Prozent zurückgegangen. Daran hätten die abgedeckt Äcker durchaus auch ihren Anteil. Aber auch die Plastikfolie selbst ist den Naturschützern ein Dorn im Auge. Abgerissene Fetzen fänden sich überall im Boden und immer häufiger auch in Nestern und Horsten von Vögeln wieder.
Recyclingsystem mit Mängeln
"Nicht bei uns", kontert Stefan Appel: "Wir haben dieses Jahr schon wieder eine Müllsammelaktion gemacht. Da haben wir hier in der ganzen Gemarkung Müll gesammelt, natürlich auch von uns, aber natürlich auch von vielen anderen - Kaffeebecher und so. Also wir schauen da schon danach." Natürlich bleibe es nicht aus, dass auch mal eine Ecke übrig bleibt, besonders nach Unwettern wie dem Sturm neulich. Aber dann fahre man sofort raus und sammle alles ein, "dass das nicht irgendwo in der Prärie rumliegt", sagt Appel.
Aber Stefan Appel versucht noch auf eine andere Art, den Folienanbau etwas ökologischer zu gestalten. Er gehört zu den Spargelbauern, die ihre Folien einem Recyclingsystem zuführen. Etwa acht Jahre lebt bei ihm eine Spargelpflanze, und so lange werden die Folien auf den Feldern jedes Jahr wieder ein- und ausgerollt. Danach werden sie grob gesäubert, zusammengepackt und zum Folien-Sammelplatz des Projekts "Erntekunststoffe Recycling Deutschland" in Groß-Gerau gebracht.
Das Material wird dort geschreddert und in einem mehrstufigen Waschprozess gereinigt, erklärt Boris Emmel, Systemverantwortlicher für das Folien-Recycling. Im letzten Schritt werde es eingeschmolzen, um daraus wieder Kunststoff-Pellets herzustellen - aus denen die Folienhersteller dann wiederum neue Spargelfolien machen könnten. Stefan Appel hat bei seinem Anbieter allerdings noch kein solches Angebot gesehen. Ein echter Kreislauf ist also noch Zukunftsmusik.
Ohne Folie "kein Anbau mehr möglich"
Trotzdem sieht der Arheilger Spargelbauer keine Alternative zum Anbau mit Folie: "Im Endeffekt ist es so, dass ohne Folie hier in Deutschland bei zwölf Euro Mindestlohn kein Anbau mehr möglich ist. Da kommen wir einfach ökonomisch gar nicht mehr rum." Die Stech- und auch die Erntekosten bei Erdbeeren im Freiland seien so hoch, dass das hier keiner mehr zahlen würde, meint Appel. "Und der Handel geht ja einfach nur danach, wo sie am meisten Geld verdienen. Die verdienen dann an den spanischen Erdbeeren für 1,20 Euro halt mehr wie an den deutschen für drei Euro."
Das Problem mit den Lohnkosten hat Markus Tresselt aus Griesheim nicht. Er baut seinen Spargel in dritter Generation ohne Folie an - allerdings in viel kleinerem Ausmaß auf knapp sechs Hektar und komplett ohne Erntehelfer. "Ich bin doch Bauer, oder? Also mache ich das selber", sagt er. "Das machen die großen auch nicht mehr, die hocken im Büro." Dass die Kollegen expandieren und auf Folie setzen, dafür hat er allerdings schon Verständnis: "Wenn ich jünger wäre, würde ich es wahrscheinlich auch machen, ganz ehrlich."
Naturschützer sehen Politik in der Pflicht
Auch die Umweltschützer vom NABU wollen in den südhessischen Spargelbauern nicht den Buhmann sehen. Der ökonomische Zwang ist ihnen durchaus bewusst, sie sehen die Politik in der Verantwortung. Einerseits müsste Folienanbau in Naturschutzgebieten generell verboten werden und Bauern müssten finanziell dafür belohnt werden, wenn auf ihren Feldern eine große Artenvielfalt zu finden ist - dann würde sich der Anbau vielleicht auch wieder für kleinere Betriebe lohnen.