Auswirkungen der steigenden Preise "Da wo es vorher eng war, geht jetzt gar nichts mehr"

Wer bislang finanziell gerade so über die Runden kam, hat jetzt ein echtes Problem: Bei manchen reicht es aufgrund der steigenden Preise nicht mal mehr für die Kita-Gebühr oder täglich warme Mahlzeiten. Der Bund müsse Soforthilfen massiv aufstocken, fordern Sozialverbände.
Eigentlich hat es für die fünfköpfige Familie aus dem Raum Gießen immer gereicht. Nicht üppig, aber es ging. Nennen wir sie Familie K.. Beide Elternteile arbeiten. Weil das Einkommen zu gering war, bekommen sie aufstockende Hartz-IV-Leistungen.
Doch nun stellen Familie K. die steigenden Verbraucherpreise vor ein großes Dilemma, berichtet die Gießener Sozialberaterin Angela Linke von der Caritas: "Die Frau ist auch berufstätig. Aber es reicht eben nicht. Aufgrund einer hohen Stromrechnung und weil alles nicht reicht, konnte sie die Kita nicht zahlen." Nun überlege die Frau, den Job aufzugeben, damit sie die Kinder betreuen könne.
Immer mehr Menschen fragen nach Lebensmittelgutscheinen
Es geht um gerade einmal 50 Euro Gebühr. Doch diese paar Euro hat Familie K. wegen den steigenden Preisen nicht mehr, sagt Linke. Und das ist kein Einzelfall. Die Beobachtung der Sozialberatung, die viele arme Menschen berät: "Es wird richtig, richtig massiv. Da wo es vorher eng war, geht jetzt gar nichts mehr. Oder wir werden angefragt, ob es Lebensmittelgutscheine gibt. Ein 60-jähriger Mann hat mir gesagt, er kann momentan nur jeden zweiten Tag von dem Geld Essen."
Eine Beobachtung, die auch die Geschäftsführerin Yasmin Alinaghi vom Paritätischen Wohlfahrtsverbands Hessen macht: "Im Hartz-IV-Regelsatz sind 155 Euro im Monat für Essen und Getränke vorgesehen. Das sind also circa 5,10 Euro pro Tag. Und jeder von uns, der einkaufen geht, sieht momentan, dass man sich von 5,10 Euro am Tag nicht ernähren kann."
Regelsätze waren schon vorher knapp kalkuliert
Zur Sozialberatung der Caritas in Gießen kommen inzwischen auch Menschen, die den Weg in die Sozialberatung sonst aus Scham gescheut haben. Dabei waren die Regelsätze nach Ansicht von Sozialberaterin Linke auch in normalen Zeiten so knapp kalkuliert, dass überall gespart werden musste. Und es kommt wohl noch dicker für arme Menschen: "Die Fernwärme in Gießen wurde ja zum 1. April um 46 Prozent erhöht. Das heißt für einen Ein-Personen-Haushalt wird das eine Erhöhung sein von ungefähr 350 Euro, schätzen die Stadtwerke", sagt Linke.
Die Regelsätze für Menschen, die Grundsicherung im Alter oder wegen Krankheit und Erwerbslosigkeit beziehen, wurden in diesem Jahr um gerade einmal drei Euro angehoben auf 449 Euro. Zwar werden nun durch das Corona-Sozialschutzpaket des Bundes für einige Haushalte die vollen Heizkosten übernommen, doch längst nicht für alle.
Soforthilfe von 100 Euro pro Monat wäre nötig
Deswegen soll es bald einen einmaligen 200 Euro-Sofortzuschuss vom Bund geben. Aber selbst das ist zu wenig, sagt Yasmina Alinaghi vom Paritätischen Wohlfahrtsverband. "Wir sind natürlich froh über jede Entlastung, die von der Bundesregierung umgesetzt wird. Aber ehrlich gesagt sind die 200 Euro der Tropfen auf den heißen Stein und viel zu wenig. Unserer Berechnung nach wäre eine Soforthilfe von monatlich 100 Euro nötig, um die Folgen der Inflation und der Coronapandemie abzufedern."