Ein Smartphone zeigt die Tinder-App an.

Der "Tinder-Schwindler" jettet von Stadt zu Stadt, lebt in exklusiven Hotels und lässt sich das von Frauen zahlen. Was die Netflix-Doku beschreibt, gibt's auch bei uns in Hessen: Betrüger, die ihre Opfer über Dating-Apps kennenlernen. Wie sie vorgehen und wie man sich schützen kann: ein Überblick.

Von der großen Liebe träumt Birgit Burg-Aßmann schon länger. Sie ist Mutter von drei Kindern, Anfang 50 und lebt in Marburg. Im echten Leben jemanden kennenzulernen ist für sie in Corona-Zeiten allerdings schwierig. Deshalb probiert sie es über eine Dating-Plattform mit Erfolg.

Der Mann, den sie dort kennenlernt, war angeblich auch aus Marburg und in ihrem Alter. "Da habe ich gedacht: 'Naja, versuch es doch mal. Schreibst du den an, ob man mal näher in Kontakt treten kann.'" Der Mann gibt sich als Arzt aus, er scheint Birgit vertrauenswürdig. Sie schreiben regelmäßig Nachrichten und telefonieren auch bald miteinander.

Plötzlich brauchte er Geld

"Das war halt eben schön, dass da einer ist, der einen ein bisschen betüddelt und auch mal so ein bisschen Versprechungen macht. Es hat mich mitgerissen", sagt Birgit. Bis der Mann 2000 Euro von ihr will. Angeblich braucht er das Geld für seinen Sohn, der muss nach einem Unfall operiert werden. Und der Mann hat dieses Geld gerade nicht, weil er im Ausland ist.

Das macht Birgit stutzig. Sie geht zur Polizei. Andere zahlen, wenn ihr neuer Schatz knapp bei Kasse ist, erzählt Virginie Wegner, Pressesprecherin beim Hessischen Landeskriminalamt (LKA): "Er gibt vor, dass er krank ist oder aber einen Unfall hatte und auch im schlimmsten Fall entführt wurde. Das heißt, hierbei sind der Fantasie überhaupt gar keine Grenzen gesetzt."

Opfer in Hessen verloren fast eine Million Euro

Immer häufiger fallen Menschen auf solche Lügengeschichten herein - übrigens Frauen wie Männer. Allein im letzten Jahr registrierte das LKA fast 50 Fälle, bei denen die Opfer insgesamt knapp eine Million Euro verloren - doppelt so viele wie vor fünf Jahren. Die Dunkelziffer dürfte sogar noch höher sein. Warum aber überweisen Menschen so viel Geld letztlich an Fremde, die sie teilweise noch nie gesehen haben?

"Durch den Wunsch nach Liebe ist man natürlich mehr dazu geneigt, Dinge zu übersehen oder sogar auch zu ignorieren", sagt die Frankfurter Dating-Coachin Vanessa Gericke. "Nach dem Motto: 'Naja, das wird schon nicht so schlimm sein.'"

Betroffene schämen sich oft

Platzt dann der Traum von der großen Liebe, schämen sich viele Betroffene. Müssen sie aber gar nicht, meint Andreas Thöne, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Kassel, die in einem ähnlichen Fall gerade ermittelt. Denn mitunter sind die Opfer nicht nur auf einen Betrüger hereingefallen, sondern auf eine ganze Bande. Thönes Erfahrung ist, "dass da auch wirklich Personen geschult werden, wie man psychologisch rangeht an die Opfer, wie man dann schrittweise eine Beziehung aufbaut und dann auch im richtigen Zeitpunkt die Emotion einfach ausnutzt."

Weil die Täter oft nur im Internet unterwegs sind und im Ausland sitzen, ist es schwer, ihnen auf die Schliche zu kommen. Und so war es ein Glücksfall, dass im Falle einer Frau aus dem Landkreis Kassel die Betrüger Geld und Wertsachen bei dem Opfer zu Hause abgeholt haben, so dass ein Mitglied der Bande der Kasseler Polizei ins Netz gegangen ist.

Besser zurückhaltend sein

Beim Internet-Dating rät das Hessische Landeskriminalamt generell erst einmal zurückhaltend zu sein. "Was man auf keinen Fall machen sollte, intime Fotos versenden. Denn diese könnten die Täter weiterverbreiten oder aber auch für eine Erpressung nutzen", warnt Virginie Wegner.

Auch auf Geldforderungen sollten Betroffene erst einmal nicht reagieren, sondern sich bei einem Verdacht lieber an die Polizei wenden und Anzeige erstatten.

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