Ein Mann in einem Gespensterkostüm steht mit Gladbach-Schal um den Hals vor dem Bökelberg.

Wegen der hohen Corona-Inzidenzen werden die Rufe nach Einschränkungen des öffentlichen Lebens lauter – auch in Bezug auf die Fußball-Stadien der Republik. Es gibt gute Gründe für Geisterspiele in der Bundesliga. Und es gibt gute Gründe dagegen.

Pro Geisterspiele

Von Mathies Hohm

Ja, auch ich finde Geisterspiele schrecklich. Ja, auch ich komme mir vor wie in einem Corona-Hamsterrad. Und ja, auch bei mir ist angekommen, dass ein volles Stadion an der frischen Luft was anderes ist als Feiern im stickigen Klub. Aber wir sind - leider mal wieder - an einem Punkt angekommen, an dem Inzidenzen durch die Decke schießen, Krankenhäuser volllaufen und Patienten von A nach B transportiert werden müssen, um überhaupt noch einen Behandlungsplatz zu bekommen. Da sind volle Stadien mit einer Vielzahl geimpfter, aber teilweise ungetesteter Fans, die sich verständlicherweise beim Torjubel in den Armen liegen, pandemisch wie bildlich einfach unangebracht.

Überall heißt es: Kontakte so gut es geht reduzieren! In manchen Bundesländern sollen mal wieder die Kinder ran, indem die Weihnachtsferien der Schulen vorgezogen werden. Weihnachtsmärkte werden abgesagt, aber die Stadien machen wir zeitgleich schön voll? Ne, sorry, also das passt nicht zusammen. Und da reden wir noch gar nicht vom infektiologisch gesehen wohl schlimmeren Part: der An- und Abreise in Bus und Bahn. Sicher, die gibt es im Berufsverkehr auch, aber Fußball, so heilig er uns ist, ist eben am Ende Vergnügen und nicht wie der Job überlebensnotwendig.

Da die Winterpause in greifbarer Nähe ist, scheint mir der Zeitrahmen, in dem die Stadien komplett leer bleiben müssen, ohnehin überschaubar zu sein. Was aber auch klar ist – und das gilt für Fußballstadien wie Clubs und Schulen – es braucht Lösungen. Und die können nicht auf ewig lauten: alles dicht!

Contra Geisterspiele

Von Phil Hofmeister

Das war ja klar: Jetzt wird wieder sofort mit dem Finger auf den Profi-Fußball gezeigt. Es ist inzwischen ein natürlicher Reflex der Politik, wenn es darum geht, nah bei den Leuten zu sein. Und die gilt es schließlich möglichst schnell wieder emotional einzusammeln, um vom politischen Versagen abzulenken. Denn beim Profi-Sport und insbesondere beim Fußball kann immer wunderbar mit der Vorbildfunktion argumentiert werden. Wie sieht das denn aus, zehntausende Menschen in einem Stadion? In diesen Zeiten?

Angesichts berstend voller Bahnen, Busse, Friseurläden, Gottesdienste und vor allem: keinerlei funktionierender Kontrollen der in diesen Bereichen geltenden Regeln, frage ich mich: Sind Fußballspiele unter freiem Himmel wirklich unser größtes Problem? Zumal es nach wie vor keinerlei Belege dafür gibt, dass selbst volle Bundesliga-Stadien auch nur einmal als Superspreading-Event fungiert hätten.

Vor knapp zwei Jahren war es der Profifußball, der als erstes funktionierende Konzepte zur Durchführung von Veranstaltungen unter Pandemie-Bedingungen am Start hatte. Als Dank ist der Profi-Fußball offenbar auch weiterhin derjenige, auf dem als erstes der moralgetränkte Zeigefinger der Politik landet. Der Ruf nach Geisterspielen ist billiger Populismus, um den frustrierten Wähler etwas milder zu stimmen. Lasst die Stadien auf - und kümmert euch um die wirklich wichtigen Dinge.

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