Ausbruch im Main-Kinzig-Kreis Corona trotz Impfung: Der Fahrradhelm-Effekt

Wenn Geimpfte sich mit Corona infizieren, sind sie oft überrascht. Sie rechnen nicht damit, sich anzustecken. Eine Psychologin sagt: Hier greift der Fahrradhelm-Effekt.
In Freigericht (Main-Kinzig-Kreis) machen gerade viele Menschen die Erfahrung: Eine Impfung schützt nicht vor Infektion. Sie haben ein Chorkonzert mit 2G-Regel besucht, nur Geimpfte und Genese hatten Zutritt. Aber trotzdem hat sich das Virus dort verbreitet. Laut Kreis sind bis jetzt 21 Chormitglieder und Gäste positiv getestet. Für viele Betroffene ist das ein kleiner Schock, denn sie fühlten sich sicher.
So geht es auch Karlheinz Mayer (Name geändert). Etwas Schnupfen, ein Kribbeln im Hals - als ein paar Tage nach dem Konzert die ersten Symptome auftreten, denkt er an alles, nur nicht Corona: „Grippe, Husten oder was weiß ich“. Sein Risikobewusstsein war heruntergedimmt – ein Effekt, den die Psychologie auch von Fahrradhelmen kennt.
Helme nehmen die Angst
Die Psychologin Barbara Schmidt von der Uniklinik Jena hat ein mittlerweile berühmtes Experiment gemacht. Sie hat erforscht, ob das Helmtragen ein unbewusstes Sicherheitsgefühl erzeugt, und das nicht nur beim Radfahren. Dazu ließ sie eine Gruppe mit Helm und eine ohne Helm um Geld spielen. Die Gruppe mit Helm hat sich vor Geldeinsätzen weniger mit dem Risiko beschäftigt – "die kognitive Kontrolle ist reduziert", sagt Schmidt. Diesen Effekt hält sie auch bei der Impfung für möglich.
Schmidt vermutet, dass Geimpfte sich zwar nicht leichtsinnig verhalten. Aber sie nehmen Infektionsrisiken nicht mehr so bewusst wahr: „Bin ich im Außenraum, bin ich im Innenraum, wie groß ist der Raum, wie viele Leute sind im Raum?“ Solche Fragen treten in den Hintergrund. Umso größer ist die Überraschung, wenn das Virus doch überspringt.
Helm schützt, Impfung auch
Auch für Mayer war die Infektion ein Aha-Erlebnis. Seine Impfung liegt fünf Monate zurück, und er gibt zu: Er hat es seitdem auch mit dem Masketragen nicht mehr ganz so genau genommen. Beim Konzert in Freigericht fühlte er sich gleich doppelt sicher, denn es waren ja auch alle anderen geimpft und genesen. Jetzt weiß er: Ein Komplett-Schutz ist auch das nicht.
Mayer ist 71 Jahre alt. Zum Glück hat er bis jetzt keine größeren Beschwerden – genau wie die anderen Infizierten, erklärt der Main-Kinzig-Kreis. Offenbar hat die Impfung also geholfen. Genau wie ein Fahrrad-Helm, sagt Forscherin Schmidt: „Wenn ich einen Helm aufhabe, kann ich einen Unfall haben, der ist dann aber nicht so schwer. Wenn ich geimpft bin, kann ich Corona haben, aber nicht so schwer.“