Deutsche in Paraguay Ein Paradies für Impfgegner?

Wegen der Corona-Maßnahmen ergriffen Hunderte Deutsche die Flucht nach Paraguay. An Stammtischen bestätigen sie sich ihre Wahrheit von der Welt. Der paraguayische Staat hat dem Eintritt ins Paradies jetzt aber ein Ende gesetzt.
Es ist heiß im Parque Manantial in Hohenau - 38 Grad zeigt dasThermometer. Im Freibadbecken tummeln sich viele dunkle Kinderschöpfe und dazwischen auch einige Blonde. Ab und zu hallen deutsche Wortfetzen durch die Parkanlage. Hier in der kleinen Stadt im Süden Paraguays, kurz vor der Grenze zu Argentinien, ist es üblich, nicht nur Spanisch zu sprechen.
Neue deutsche Einwanderer
An der Tischtennisplatte neben dem Pool liefern sich Boris und Kevin in der gleißenden Sonne gerade ein Match. Sie seien neu in der Stadt, sagt Kevin, erst kürzlich aus Nordrhein-Westfalen hergezogen: "Wir sind seit über einem Monat in Paraguay, also in Hohenau - aus vielen Gründen. Durch die Arbeit, aus politischen Gründen und und und ... Es sind auch viele, die wegen Corona was dagegen hatten."
Kevin und Boris sind mit Eltern und Großeltern nach Paraguay ausgewandert. Keiner hat bisher einen Job oder spricht die Landessprache: Spanisch. Es gibt einige neue deutsche Einwanderer wie sie in Hohenau, aber nicht viele, die sich interviewen lassen. Ihre Spuren hingegen sind in der Stadt an jeder Ecke deutlich zu sehen. Zahlreiche Überseecontainer in Weiß, Braun und Hellblau stehen überall verteilt herum - in Wohngebieten und auf offenem Gelände.
Viele kommen, weil sie sich nicht impfen lassen wollen
Viele neue Bundesbürger sind in den letzten Monaten gekommen, bestätigt Noemi Jara vom Tourismus-Sekretariat der Stadt. Viele kämen auch, weil sie sich nicht impfen lassen wollen. "Wir Paraguayer empfinden es als Bürgerpflicht, uns zu impfen", sagt Jara. "Wir wissen, dass wir ohne Impfung unsere gewohnte Freiheit nicht wiedererlangen. Also wäre es auch wichtig für die Einwanderer, sich impfen zu lassen, um sich frei zu fühlen“
Denn natürlich muss man auch in Paraguay in geschlossenen Räumen Maske tragen. Oder mit Fremden im Auto etwa. Bei einer Fahrt durch die Gemeinde, die schon 1900 vom deutschstämmigen Wilhelm Closs gegründet wurde, zeigt Noemi Jara immer wieder auf neue und alte Häuser, die frisch von Deutschen bezogen wurden. Sie kommen alle wegen der Sonne, wegen der Ruhe und der Freiheit, sagt Noemi.
Fluchtort für Nationalsozialisten
Vor einem zurückgesetzten großen Gelände mit hohen Bäumen hält sie an: "Hier rechts sehen wir ein Haus, das mit einem Bunker gebaut wurde. Im Falle eines Atomkrieges. Und auf der anderen Seite sehen wir das Haus eines Deutschen, der vor vier Jahren hergezogen ist.“ Denn nicht erst seit Corona zieht es viele Bundesbürger nach Paraguay und speziell nach Hohenau.
14 Kilometer von hier entfernt befindet sich der ehemalige Wohnort von KZ-Arzt Josef Mengele, erzählt die Tourismusbeauftragte. Viele Nationalsozialisten flüchteten nach dem Krieg nach Paraguay. Auch Nietzsches Schwester Elisabeth gründete unweit von der Hauptstadt Asunción mit ihrem Ehemann, dem Antisemiten Bernhard Förster, eine Siedlung mit dem Namen „Nueva Germania“- neues Deutschland.
Wilde Gerüchte am Stammtisch
Auch um die Metropole herum leben heute noch Deutsche. So wie Peter, der gebeten hat, seinen Namen zu ändern - aus Angst vor Stress mit den anderen Deutschen im Land. Auch er ist schon viele Jahre hier, aber die neuen Einwanderer findet er furchtbar und will nichts mit ihnen zu tun haben. Viele der Neuen kommen aus Angst, dass Deutschland den Bach runtergehe, berichtet Peter.
"Die Grenzen werden zugemacht, das Bargeld wird abgeschafft - so diese ganzen Theorien." Wenn er in einer Kneipe am Stammtisch sitze, sei das die Hauptdiskussion - oder das Impfen. Da er selbst kein Impfgegner sei, könne er das nicht nachvollziehen und verstehe die Leute auch nicht. "Aber die glauben tatsächlich auch, dass Angela Merkel eine Estanzia [Landgut mit Viehzucht, Anm. der Redaktion] im Chaco gekauft hat. Das Gerücht hält sich hartnäckig." Der Chaco - das ist ein Gebiet im Norden von Paraguay. Und nein, gesehen habe er Angela Merkel noch nicht, meint Peter mit einem Grinsen.
"Einwandern so einfach wie nirgends"
Einer, der gern mit anderen Deutschen bei besagten Stammtischen sitzt, ist Manfred Popp zum Beispiel. Heute Abend bekommt er Besuch, denn er hat Geburtstag. "Heute Abend werden hier 100 Personen auftauchen. Und da hat keiner eine Maske auf. Da ist auch keiner geimpft. Es fürchtet sich auch keiner, sich anzustecken", sagt Manfred. Er besitzt mit seiner paraguayischen Frau ein Kiosk an einer Landstraße in Ypacaraí südlich von Asunción. Er ist schon vor 15 Jahren gekommen, ihm wurde es zu voll und zu streng in Deutschland. Paraguay war sein Ausweg, schon vor Corona.
Einwandern ist in Paraguay so einfach wie fast nirgends, sagt der 70-Jährige: "Diese Haus habe ich gebaut, da frag ich keinen Menschen. Da frag ich nicht die Gemeinden, keinen Bürgermeister und nicht den lieben Gott. Ich bau es, wie es mir gefällt." Die Deutschen, die jetzt kommen, sind für ihn Corona-Flüchtlinge. "Ich glaub auch, dass es dieses Virus gibt", sagt Manfred, "aber dass es hochgespielt wird, um den Leuten Angst zu machen. Nur mit Angst kann man die Leute unterm Köcher halten."
Einreise für Europäer nur noch mit vollständiger Impfung
Er vermutet auch, dass das Virus geschaffen wurde, um die Weltbevölkerung zu dezimieren. Aber ja, er wisse schon, dass man ihn jetzt als Verschwörungstheoretiker abstempeln werde. Am 12. Januar hat der Staat Paraguay die Regeln verschärft und beschlossen, die Einreise für Europäer nur noch mit vollständiger Impfung zuzulassen. Schluss also mit dem Paradies für Impfflüchtlinge? Auf den einschlägigen Auswanderer-Seiten bei Facebook wird schon diskutiert, wie man auch ohne Zertifikat reinkommt - oder eben mit einer Fälschung.
Und in Hohenau, da hofft die Tourismusbeauftragte Noemi Jara, dass sich die neuen Deutschen doch noch umentscheiden und sich impfen lassen: "Hier in der Region ist die medizinische Versorgung nicht sehr gut. Und bei uns werden im Krankenhaus die Menschen bevorzugt behandelt, die geimpft sind.“