Israelische Soldaten sitzen unter einem Pavillion an der Gefängnismauer des Gilboa-Gefängnises.

Immer wieder soll das Sperma von inhaftierten Palästinensern aus israelischen Gefängnissen geschmuggelt werden. Der Film "Amira" thematisiert genau diese Erzählungen, die von Palästinensern gerne als Sieg über Israel gefeiert werden.

Sie schauen sich an, können sich aber nicht berühren und nur über ein Telefon miteinander sprechen. Besuchstermin in einem israelischen Gefängnis. Eine dicke Scheibe trennt eine palästinensische Familie. Auf der einen Seite sitzt der Vater und Ehemann: ein palästinensischer Häftling. Auf der anderen Seite dessen Tochter und Ehefrau, die ihn besuchen. Amira ist die Tochter des Häftlings. Das glaubt sie zumindest. Gezeugt mit dem Sperma des Vaters, obwohl der schon damals im Gefängnis saß.

Der neue Film von Mohammed Diab dreht sich um eine wahre Begebenheit: Immer wieder schmuggeln Palästinenser nach eigenen Angaben Sperma aus Gefängnissen. Mehr als 100 Kinder sollen so geboren worden sein. In der palästinensischen Gesellschaft wird das gefeiert. Als Sieg über Israel. Als Symbol der Freiheit.

"Ich verlange, dass dieser Film zerstört wird"

Im Film stellt sich jedoch heraus, dass Amiras vermeintlicher Vater unfruchtbar ist. Der wahre Vater ist ein israelischer Gefängniswärter. "Amira" wurde auf den Filmfestspielen von Venedig gefeiert. In den palästinensischen Gebieten und in Jordanien, wo der Film gedreht wurde, sorgt das Werk jedoch für Empörung. Auch die Palästinenserin Hanadi Mughrabi ist außer sich. Ihr Ehemann sitzt in einem israelischen Gefängnis. Körperlicher Kontakt ist bei Besuchen tabu. Trotzdem brachte die Frau zwei Zwillingsschwestern auf die Welt. Gezeugt, sagt sie, mit dem geschmuggelten Sperma ihres Ehemannes.

"Ich schaue mir die langfristigen Folgen dieses Filmes an", sagt die Palästinenserin. "Wenn diese Kinder aufwachsen und Männer und Frauen werden, wie wird sie dieser Film beeinflussen, wenn es ihn weiterhin gibt? Deshalb verlange ich, dass dieser Film zerstört wird, verbrannt wird. Damit er auf dieser Welt nicht mehr existiert."

Jordanien zieht Film aus dem Oscar-Rennen zurück

Etwa 5.000 Palästinenser befinden sich in israelischen Gefängnissen. Die meisten ihrer Landsleute feiern sie als Helden – auch jene, die Anschläge verübt haben. Aus palästinensischer Sicht brachten die Häftlinge Opfer im Kampf gegen die israelische Besatzung. Dass im Film der vermeintliche Held unfruchtbar ist und der Vater ausgerechnet ein israelischer Gefängniswärter ist, geht vielen Menschen in der Region zu weit.

Auf Twitter gibt es sogar einen Hashtag: #Pull_Out_Amira, zieht den Film Amira zurück. Und der Protest hatte Erfolg. Eine staatliche jordanische Kommission, die den Film für einen Oscar ins Rennen schicken wollte, zog den Film zurück. Man glaube an den künstlerischen Wert des Filmes, hieß es von der Kommission. Wegen der großen Kontroversen und aus Respekt gegenüber den Familien und den Gefangenen ziehe man den Film aber zurück.

"Es geht nicht nur um Palästina"

Der ägyptische Filmemacher Diab brachte sein Bedauern zum Ausdruck. Mit seinem Werk wolle er auf keinen Fall die Gefangenen oder ihre Familien beleidigen. "Als Araber ist Palästina natürlich eine große Sache für uns. Was ich aber an dieser Geschichte mag: Es geht nicht nur um Palästina. Es geht auch um die Ursprünge von Hass. Jeder Mensch, der mit allen möglichen Konflikten kämpft, kann sich in diesem Film wiederfinden. Mit diesem Film habe ich versucht, Palästinenser und sogar Israelis besser zu verstehen", sagte Diab in einem Interview auf der Biennale. "Ich habe mein Bestes gegeben, politische Aussagen aus dem Film zu halten. Aber obwohl dies eine sehr persönliche Geschichte ist, die nichts direkt mit Politik zu tun hat: Die Politik ist natürlich immer im Hintergrund."

Der Filmemacher hat einen Wunsch: Es soll ein Zuschauerkomitee geben. Bestehend aus palästinensischen Häftlingen und ihren Angehörigen. Die sollen dann seinen Film schauen und besprechen. Der öffentliche Protest gegen "Amira" ist jedoch in diesen Tagen so groß, es scheint unwahrscheinlich, dass Diabs Wunsch in Erfüllung geht.

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