Forschungsprojekt der Uni Kassel Strom aus der Fensterfolie

Stellen Sie sich vor, Sie könnten schon bald die Sonnenenergie mit Hilfe ihres Küchenfensters in puren Strom umwandeln und damit ihre Küchengeräte betreiben. Klingt utopisch? Forscher an der Uni Kassel haben jetzt die Grundlagen dafür geschaffen.
Die Sonne knallt auf das große Küchenfenster, 90 cm breit und 120 hoch. Matthias Koch, der junge Ingenieur des UniFipp Instituts an der Uni Kassel strahlt über das ganze Gesicht, denn er weiß, sein Fenster produziert nun mit Sonnenhilfe puren Strom: "Wir haben eine Folie entwickelt, da sind Nanopartikel drin, die sogenannten Quantum-Dots. Und diese können Sonnenlicht, in dem Fall UV-Licht umwandeln in nah-infrarotes Licht und dann in der Scheibe total reflektieren, um dann diese Wellen an den Rand des Fensters zu transportieren, wo wir dann auch eine Solarzelle eingebaut haben, die dann Strom erzeugen soll."
Michael Hartung ist der Geschäftsführer des Unifipp Institutes, das sich intensiv mit dem Thema Kunststoff auseinandersetzt. Ihr Ziel sei es, Kunststoff "intelligent" zu machen. Auch wenn Kunststoffe in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder in Misskredit geraten ist, Hartung und seine Mitstreiter wissen, ohne diesen wichtigen Werkstoff geht es einfach nicht: "Kunststoff kann in dem Fall Energie weitertransportieren. Kunststoff kann leitfähig sein durch eine Funktionalisierung. Das heißt, man gibt Partikel rein, dass man Kunststoff auch elektrisch und thermisch leitfähig machen kann. Darüber hinaus kann aber auch ein Kunststoff in der Lage sein, sich selber abzudunkeln und die Transparenz zu ändern."
Handyladen am Küchenfenster
Derweil läuft die Stromproduktion am Küchenfenster auf Hochtouren. Wer aber daran denkt, vielleicht irgendwann ein ganzes Haus mit Hilfe der Fensterflächen mit Strom zu versorgen, den holen die beiden Wissenschaftler auf den Boden der Realität zurück: "Das sind dann ungefähr 40 Watt. Das heißt, man kann bei voller Sonneneinstrahlung sein Handy damit laden derzeit."
Denn noch ist das Ganze ein Forschungsprojekt. Es müssen Partner aus der Industrie gefunden werden und die Kosten müssen auch noch deutlich gesenkt werden, damit das Fenster dann auch wirklich markttauglich wird. Im Moment liegen die Kosten für so einen Prototypen noch bei mehreren tausend Euro. Aber, so die beiden, der Anfang ist gemacht und vielleicht schon in drei bis vier Jahren "sind wir vielleicht so weit, dass wir das auch im großen Maßstab herstellen können oder zumindest Partner aus der Industrie. Und das ist ja auch das Ziel, dass wir genau diese Technologien aus dem Labormaßstab überführen wollen in die serielle Fertigung, dass es auch für jedermann dann verfügbar ist."
Der große Traum aber wäre, dass es die Folien dann auch zur Selbstmontage geben könnte. Dann müsste man auch nicht alle Fenster im Eigenheim austauschen, sondern könnte einfach nachrüsten, wie Hartung erklärt: "Es kann natürlich sein, dass in Zukunft so etwas nachrüstbar ist. Das heißt, man klebt die Folie rauf. Und gleichzeitig bringt man diese Solarzellen in die Fenster an und könnte das dann auch selber machen."
Sendung: hr-iNFO "Aktuell", 6.7.2022, 6 bis 9 Uhr