Eine elektronenmikroskopische Aufnahme zeigt das Coronavirus SARS-CoV-2. (dpa)

Ob Corona, Affenpocken, SARS oder Rinderwahn und Vogelgrippe: All diese Krankheiten wurden von Tieren auf Menschen übertragen. Die sogenannten Zoonosen scheinen zuzunehmen. Auf was müssen wir uns einstellen? Erwarten uns noch mehr Pandemien? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Müssen wir künftig mit mehr zoonotischen Epidemien oder Pandemien rechnen?

Es spricht vieles dafür. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht davon aus, dass schon im letzten Jahrzehnt rund 75 Prozent der ausgebrochenen Infektionskrankheiten Zoonosen waren. Und schon beim Ausbruch der Corona-Pandemie machten Schätzungen die Runde, dass da draußen noch etwa 40 weitere zoonotische Viren mit dem Pandemie-Potenzial von Sars-CoV-2 sein dürften. Man ging also schon damals davon aus, dass wir mit ihnen häufiger und in kürzeren Abständen zu tun haben werden. Außerdem haben diese Viren ja auch Veränderungspotenzial, und so kann es auch dazu kommen, dass wir die Renaissance von Krankheiten erleben, die wir eingedämmt glaubten.

Zoonosen sind aber nicht nur Viruserkrankungen, oder?

Richtig - und es sind auch nicht alle Viruserkrankungen Zoonosen. Momentan bekannt sind etwa 200 Zoonosen. Und die können auch Bakterien verursachen oder Parasiten – was zeigt, dass das Potenzial, an Zoonosen zu erkranken, am Ende noch viel höher sein wird. Und das weltweit, denn Zoonosen halten sich nicht an Landesgrenzen. Das sehen wir jetzt ja auch bei den Affenpocken. Deren aktuellen Verbreitungsschub begünstigt ganz gewiss auch die Globalisierung. Und auf diese Art und Weise rücken die Vorbeugung und die Behandlung von Zoonosen weit nach vorne in der Rangliste der planetaren Notfälle. Das heißt, sie schließen auf zu Klimawandel und Artensterben. 

Gäbe es nicht Möglichkeiten, der Lösung dieser planetaren Notfälle im "Kombipaket" nachzugehen?

Durchaus, denn zwischen diesen Notfällen gibt es ja auch Zusammenhänge. Umweltzerstörung und Biodiversitätsverlust etwa unterstützen definitiv die Ausbreitung von Zoonosen. Um ein Beispiel zu nennen: Vernichten wir zu viel Natur, verschwinden einzelne Individuen, Populationen oder Arten. Es werden zwar irgendwann andere Individuen, Populationen und Arten kommen, die die frei gewordenen ökologischen Nischen einnehmen.

Diese Verschiebungen in der Verbreitung von Arten können dann aber Infektionsrisiken erhöhen. Zum Beispiel weil besonders anpassungsfähige Arten leichter in die freien Nischen eindringen. Sie können sich dort dann explosionsartig vermehren. Und damit steigt das Risiko, dass wir uns mit Erregern dieser Tiere infizieren. Das ist ein Beispiel dafür, dass intakte Natur auch ein Bollwerk gegen Krankheitserreger ist und dass das Verschwinden von Arten unabsehbare Verschiebungen im natürlichen Gleichgewicht bewirkt.

Also ist Naturschutz auch Gesundheitsschutz - und Investitionen in Umwelt- und Biodiversitätsschutz tragen auch dazu bei, dass der Mensch seine eigene Gesundheit schützt?

Richtig. Nur: Dieser Weg muss endlich auch konsequent gegangen werden, und da gibt es viele Hoffnungen und Erwartungen in Zusammenhang mit der geplanten, diesjährigen Weltbiodiversitätskonferenz in Kunming. Es wäre ein verhängnisvoller Fehler, das Wohl der Menschheit und das Wohl der Umwelt nicht zusammenzudenken. Denn der Mensch ist ja ein Teil der gefährdeten ökologischen Netze.

Außerdem gehört er biologisch gesehen in die Tiergruppe der Primaten. Insofern ist es eigentlich auch nicht ganz schlüssig, von Zoonosen zu sprechen. Denn das impliziert ja, dass sich der arme Mensch beim bösen Tier ansteckt. Dabei steckt sich ja eigentlich nur eine Tierart bei einer anderen an. Und deswegen versteht die Medizin als Zoonosen auch Krankheiten, die vom Menschen auf andere Tiere übergehen. Insofern verwundert es auch nicht, dass einige der ältesten, bekannten Krankheiten Zoonosen sind.

Welche Krankheiten sind das?

Die Tollwut zum Beispiel oder auch Pest und Tuberkulose. Die Pest gab es ziemlich sicher schon vor 4.000 Jahren, Tuberkulose sogar vor 500.000 Jahren. Und möglicherweise sind diese Krankheiten sogar noch älter. Pest zum Beispiel ist heute aber bei rechtzeitiger Entdeckung gut behandelbar. Das heißt, medizinisch lassen sich Zoonosen durchaus in den Griff kriegen. Und wenn wir sie dann noch durch Umweltschutz nicht allzu nah an uns ranlassen, sind wir wahrscheinlich auf einem ganz guten Weg.

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