Weiße Frau mit Dreadlocks

Weiße, die Dreads tragen oder an Fastnacht in ein Winnetou-Kostüm schlüpfen: Beispiele für solche "kulturellen Aneignungen" gibt es viele - in der Musik, im Film, in der Mode. Das Verhalten ist jedoch ebenso ambivalent wie der Begriff selbst. hr-iNFO-Politikredakteur Christoph Käppeler zeigt, wo und warum es Kritikern zu viel ist.

Die deutsch-vietnamesische Rapperin "Nashi44" hat kürzlich eine große Buddha-Statue auf dem Parkplatz eines Berliner Möbelhauses gesehen. Und, noch krasser, erzählte sie dem rbb: Auf dem Deckel einer Kloschüssel. "Das heißt, Du gehst ins Badezimmer und siehst dann einfach, bevor Du Dein Geschäft machst, dieses Buddha-Gesicht. Das tut weh, das macht man einfach nicht." Von solcher Respektlosigkeit singt sie auch in ihrem ersten veröffentlichten Song.

Nashi44 rappt. Der Rap ist in afroamerikanischen Vierteln in US-Städten entstanden. Dürfen Weiße rappen? Shanon Bobinger, Live-Coach, Deutsche mit ruandischen und ugandischen Wurzeln, meinte im ZDF, dass selbst sie, als Schwarze Deutsche, sich das nicht anmaßen würde: "Ich hab noch nie in meinem Leben in dieser prekären Situation gelebt, wo ich tagtäglich für gar nichts auf der Straße erschossen werden kann. Und das ist die Kultur, aus der eben Rap kommt. Das ist kein Spaß, das ist nicht cool, das ist nicht witzig."

Welterfolg für Elvis, gut 1000 Dollar für die Komponisten

1956 hatte der Weiße Elvis Presly mit "Hound dog" einen Welterfolg. Das Lied aber hatte drei Jahre vorher die Schwarze Blues-Sängerin Big Mama Thornton veröffentlicht - mit wesentlich weniger Erfolg. Manche Kritiker warfen Elvis Presley deshalb "kulturelle Aneignung" vor. Big Mama Thornton sagte, sie habe nur 500 Dollar bekommen, die beiden Komponisten 1.200 Dollar.

Dreadlocks - Filzlocken - sind eine Form von Haarfrisur, die vor allem Menschen afrikanischer Herkunft tragen: Die Rastafari in Jamaika etwa wollten sich damit von den weißen, britischen Kolonialherren abgrenzen. Aber auch weiße Hippies und linke Jugendliche tragen Dreadlocks, als Statement. Als die Sängerin Ronja Maltzahn bei der Klimaprotestbewegung "Fridays for Future" auftreten wollte, wurde sie wegen ihrer Dreadlocks ausgeladen. In Bern in der Schweiz wurde ein Konzert der Gruppe "Lauwarm" abgebrochen, weil sich einige Besucher an den Dreadlocks und afrikanischer Kleidung der weißen Schweizer Bandmitglieder gestört hatten.

Winnetou vermittelt "falsches Bild"

Ist es kulturelle Aneignung, sich an Karneval als Indianerhäuptling mit Federschmuck zu verkleiden? Oder: War es richtig, dass der Ravensburger Verlag das Buch "Der junge Häuptling Winnetou" vom Markt genommen hat? Linda Poppe vom Verein "Survival International" begrüßte das: Die Geschichten von Winnetou vermittelten ein falsches Bild davon, wie die indigenen Völker Amerikas mit weißen Siedlern zusammengearbeitet hätten: "Das entspricht ja nicht der Realität, sondern es ging um Gewalt, um Krankheit, um Ausbeutung. Und jetzt diese Geschichten zu erzählen und die - schlimmer noch - unseren Kindern zu erzählen, wo wir es eigentlich inzwischen besser wissen müssten, das halte ich für falsch."

In einigen Medien vermutete man "Cancel Culture". Auch weil die ARD die Winnetou-Filme aus den 60er Jahren nicht mehr zeigen will - weil sie die Lizenzen dafür nicht verlängert hat. Die Karl-May-Bücher über Winnetou sind weiter auf dem Markt.

Geld- oder hohe Haftstrafen in Mexiko

Auch in der Mode gibt es kulturelle Aneignung: In der Provinz Oaxaca in Mexiko werden Hemden und Blusen hergestellt - mit traditionellen indigenen Mustern, genäht von kleinen Kooperativen von Frauen. Luxusdesignerin Isabel Marant hat ein Agaven-Stickmuster der Frauen von Tlahuitoltepec eins zu eins übernommen. Auch Zara, Levi's oder Mango plagiieren indigene Designs - ohne zu fragen, ohne dafür zu bezahlen.

Mexiko hat ein Gesetz, das das kulturelle Erbe der indigenen und Afro-Mexikanischen Völker schützen soll. Mitinitiiert von der Senatorin Susan Harp. "Das Gesetz impliziert, dass die gesamte indigene Gemeinschaft sich abstimmen und damit einverstanden sein muss, dass ein Unternehmen oder ein Designer, eine Designerin eines ihrer Elemente oder Muster übernimmt und außerhalb der Gemeinschaft reproduziert." Sonst drohen in Mexiko für diese Art der kulturellen Aneignung hohe Geld- oder mehrjährige Haftstrafen.

Weitere Informationen Ende der weiteren Informationen