leere Kirche

Die Zahl der Austritte aus der katholischen Kirche ist auf einem Rekordhoch. Vor allem der Umgang der Kirche mit den Missbrauchsskandalen stört die Menschen, doch es gibt auch andere Gründe. Wie erleben katholische Gemeinden in Hessen den Mitgliederschwund? Und was tun die Pfarrer dagegen?

Holger Daniel ist Pfarrer in der Gemeinde Sankt Marien in Frankfurt. Der Mitgliederverlust in seiner katholischen Gemeinde sei dramatisch. Rund 20 Prozent sind in letzten fünf Jahren gegangen. Im ersten Halbjahr dieses Jahres sind bereits 220 Menschen ausgetreten.

"Es ist immer wieder erschlagend, diese Masse an Austritten zu sehen und dabei auch festzustellen, ganz viele Menschen, ganz viele Namen sagen mir nichts, da hat es nie irgendeine Begegnung gegeben", sagt der Pfarrer. Wenn dann mal ein Name dabei sei, den er kenne, dann gingen die Fragen bei ihm los: "Warum? Wieso hat es kein Gespräch gegeben? Hätte ich auf die Person zugehen müssen? Hätte ich was wissen können? Das ist wirklich niederschmetternd."

Vor allem Jüngere treten aus

In seiner Gemeinde würden vor allem viele junge Mitglieder in der Altersgruppe zwischen 18 und 30 Jahren austreten. Der Pfarrer erklärt sich die Distanz der jungen Leute zur Kirche unter anderem so: "Der Glaube ist nicht weitergegeben worden. Da ist wirklich auch ein Weitergabe-Abbruch erfolgt. Und warum soll ich mich mit was beschäftigen, was ich nicht kenne?" Die Gemeine würde sich sehr viel Mühe geben, die Menschen zu erreichen, sie vielleicht zum Nachdenken zu bringen, sagt der Pfarrer. Die Hoffnung: Vielleicht käme der eine oder die andere so doch auf die Idee zu sagen, es sei sinnvoll, was die da machen, da passiere viel Gutes.

Doch der Ärger über die Institution katholische Kirche und ihre Skandale verschreckt die Menschen. Der Frankfurter Stadtdekan Johannes zu Eltz erfährt das in Briefen von Ausgetretenen. Sinngemäß gibt er ein Beispiel wieder: "Ein System, was ich so dysfunktional finde und auch so ärgerlich in Verbrechen und in Vertuschung von Verbrechen verstrickt und so unbeweglich und system-unfähig erscheinend - das will ich einfach nicht mit meinen Mitteln unterstützen, ich mache lieber mit meinem Geld etwas anderes.“

Missbrauchsskandal als Hauptgrund für Austritte

Zu Eltz ist Pfarrer in der Dompfarrei St. Bartholomäus. Auch in seiner Gemeinde treten viele Menschen aus der katholischen Kirche aus – Tendenz steigend. Eine echte Herausforderung, wie er sagt. Um besser zu verstehen, warum die Leute so zahlreich weggehen, schreibt er jeden Ausgetretenen an.

Viele schreiben ihm zurück. "Es sind seit Jahren immerzu und immer an erster Stelle die Missbrauchsverbrechen und vor allem die Weise, wie mit ihnen umgegangen wird", sagt zu Eltz. "Also dass die Institution versucht hat, muss man ja sagen, systematisch die Dinge von sich wegzuhalten, die Institution unbeschadet zu lassen und dafür Leute über die Klinge springen zu lassen."

Forderungen nach schneller Reform

Doch was muss passieren? Und wie lauten die Forderungen an die Kirchenführung? Werner Otto, Pfarrer in der Sankt Bonifatius Gemeinde in Frankfurt Sachenhausen und Mitglied in der Synodalversammlung der katholischen Kirche, formuliert eine wichtige Forderung so: "Wir müssen dringend Fortschritte machen im Bereich Machtkontrolle und Gewaltenteilung. Der Bischof soll künftig seine Leitungsgewalt nur noch gemeinsam mit einem demokratisch gewählten Gremium ausüben. Und es muss unabhängige Verwaltungsgerichte geben, an die man sich auch wenden kann, wenn man sich ungerecht behandelt fühlt. Zu all dem liegen Beschlussvorlagen vor."

Auch in Frankfurt fordert man also, dass sich die katholische Kirche schnell reformiert. Inwieweit sich mit diesen Bemühungen aber das Vertrauen der Menschen zurückgewinnen lässt, das dürfte erst einmal offen bleiben.

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