Kohlekraftwerk Niederaußem (dpa)

Dass Wirtschaftminister Habeck vorübergehend auf Kohle statt Gas zur Stromerzeugung setzen will, ist klimapolitisch vertretbar und richtig. Denn wir haben ein akutes Problem - und ideologische Festlegungen helfen bei der Lösung nicht.

Wir haben ein akutes Problem. Und bei der Lösung helfen uns Floskeln und ideologische Festlegungen so gar nicht. Interessengruppen aller Seiten können das ignorieren, ein Minister nicht. Und deshalb ist es richtig, wie der Wirtschafts- und Klimaschutzminister agiert.

40 Prozent des Gases verbrennen wir zur Zeit in den Haushalten – überwiegend in der Heizung. Und das wird sich im kommenden Winter nicht beliebig verändern lassen. Klar: Eins, zwei Grad weniger in der Wohnung, das bringt graduell was. Aber das ist längst nicht genug. Ein Drittel verbrauchen Gewerbe und Industrie. Und die Industrie vor allem braucht das Gas zum einen zur Energiegewinnung, aber vor allem auch als Rohstoff – und da ist es auf absehbare Zeit nicht ersetzbar. Da geht es nicht um abstrakte Profite, sondern um das Überleben von Betrieben und um viele Arbeitsplätze.

Zu spät für Kernkraft

Am ehesten geht das mit dem Ersetzen eben bei den Kraftwerken. Ein Viertel des Erdgases wird dort verbrannt. Dafür haben wir Alternativen. Und zwar vor allem Kohle. Kernkraft, eine Laufzeitverlängerung der letzten Kraftwerke, wäre vielleicht noch bis Anfang des Jahres eine Option gewesen. Doch jetzt ist es dazu nach Aussagen der Betreiber selbst schlicht zu spät. Personal, Wartungen, Brennstäbe ... Da kann man lamentieren und Recht-haben-wollen – es hilft nichts mehr. Ausgereicht hätte das im Übrigen auch nicht.

Erneuerbare Energien aufbauen ist zwar extrem wichtig. Aber niemand, der was davon versteht, hält das für eine Lösung unseres aktuellen Problems. Das wird selbst bei bestem Willen dauern. Bleibt nur Kohle. Und das ist richtig so - und auch klimapolitisch zu verantworten. Der Unterschied zwischen Gas und Kohle ist nämlich mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht so groß, wie wir glauben.

"Sauberer Brennstoff?" Kohle und Gas fast gleichauf

Neuere Satellitenüberwachung zeigt, dass die Lecks und Verluste bei der Erdgas-Produktion und beim Transport immens sind und viel höher als bisher angenommen. So etwa 1,5 Prozent Methan entweicht, rechnete man, doch es sind wohl eher drei Prozent oder mehr. Und da Methan ein extrem wirksames Klimagas ist, bleibt nicht mehr viel von "sauberem Brennstoff".  Da liegen Gas und Kohle dann fast gleichauf.

Ein bisschen mehr Kohle auf kurze Zeit ist verantwortbar und kann uns vielleicht helfen, das Gasproblem jetzt zu lösen.

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