Das von der Stadtverwaltung von Mariupol veröffentlichte Videostandbild zeigt die Folgen eines Angriffs auf das Krankenhaus von Mariupol.

Die Zerstörung Mariupols, der Einsatz von Streumunition, der Beschuss eines Atomkraftwerkes: Obwohl Russland betont, man greife nur strategische Ziele an, gibt es mit  jedem Kriegstag mehr Berichte über Kriegsverbrechen. Der Internationale Strafgerichtshof hat damit begonnen, Beweise für mögliche Prozesse in der Zukunft zu sammeln. Ein Überblick.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell findet klare Worte für das Vorgehen der russischen Armee in der Ukraine. Er sieht  Kriegsverbrechen: "Russland begeht wirklich eine Menge Kriegsverbrechen - das ist das Wort, wir müssen es sagen." Was in Mariupol geschehe, sei ein massives Kriegsverbrechen. "Sie zerstören alles, bombardieren und töten wahllos jeden. Das ist etwas Schreckliches, das wir auf das Schärfste verurteilen müssen. Die Stadt wird völlig zerstört und Menschen sterben."  

ICC sieht "hinreichende Gründe" für Untersuchung

Tatsächlich sieht auch der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag „hinreichende Gründe“ dafür, eine  Untersuchung einzuleiten. Es soll festgestellt werden, ob die Ukraine Schauplatz von Kriegsverbrechen ist. Es wird Beweismaterial gesammelt. Vieles deutet darauf hin, dass zum Beispiel in Mariopol  solche Kriegsverbrechen verübt werden. Denn die Zerstörung der Stadt mit so vielen toten und verletzten Zivilisten kann nicht als „militärisch gerechtfertigt“ bezeichnet werden.

Diese Formulierung ist allerdings wichtig. Denn tatsächlich ist aus Sicht des Internationalen Strafgerichtshofs nicht jede Bombardierung von Wohngebäuden oder Schulen ein Kriegsverbrechen. Das ist nur dann so, wenn ein Angriff zu unnötiger Zerstörung, Leid und Opfern führt, die den militärischen Nutzen der Aktion übersteigen.

Es gibt also durchaus Grauzonen. Der Kreml behauptet, keine zivilen Einrichtungen ins Visier zu nehmen. Man greife nur Gebäude an, in denen sich ukrainische Soldaten verstecken würden. Dagegen stehen die Berichte unabhängiger Beobachter, die gezielte Angriffe auch auf Krankenhäuser und Schulen dokumentieren. Die Ukraine meldet inzwischen mehr als 100 getötete Kinder.

Liste möglicher Kriegsverbrechen ist lang

In der vergangenen Woche veröffentlichte das ZDF–Magazin „Frontal“ die Aufnahmen einer ukrainischen Überwachungs-Drohne. Sie zeigt mutmaßlich, wie ein Zivilist bei einer Tankstelle westlich von Kiew von russischen Soldaten erschossen wird. Er stoppt sein Auto, als er einen russischen Panzer und Soldaten neben der Straße entdeckt. Der Drohnenpilot schildert, was dann zu sehen ist: "Der Fahrer stieg aus dem Auto aus, hob die Hände hoch und wurde einfach erschossen von russischen Soldaten." 

Hier scheint ein Kriegsverbrechen dokumentiert worden zu sein. Hier ist das Grundprinzip, dass ein Kämpfer immer zwischen Zivilisten und Kämpfern unterscheiden muss, verletzt worden. Genauso wie beim Einsatz von Streubomben: Sie unterscheiden nicht, sie zerstören ein möglichst großes Areal. Russland soll diese international geächteten Bomben eingesetzt haben und dabei – etwa in Charkiw – Zivilisten getötet haben.

Und die Liste der möglichen Kriegsverbrechen der russischen Armee ist noch länger: Es gibt Vorwürfe der Vergewaltigung, der Geiselnahme und des gezielten Angriffs auf zivile Infrastruktur, sogar auf ein Atomkraftwerk.

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Kriegsrecht und Kriegsverbrechen

Im Kriegsrecht ist vorgeschrieben, wie sich die Krieg führenden Staaten zu verhalten haben. Es ist Teil des Völkerrechts. Kriegsverbrechen sind schwere Verstöße von Angehörigen eines kriegführenden Staates gegen die Regeln des in bewaffneten Konflikten anwendbaren Völkerrechts, deren Strafbarkeit sich unmittelbar aus dem Völkerrecht ergibt. Als Kriegsverbrechen gelten zum Beispiel vorsätzliche Angriffe auf die Zivilbevölkerung, Vergewaltigung, die Verwendung von Waffen, die unnötige Leiden verursachen, oder das Töten von Soldaten, die sich ergeben. Wer das dennoch tut, begeht ein Kriegsverbrechen und kann vor dem Internationalen Strafgerichtshof angeklagt werden. [mehr]
(Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung)

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