Ein Paradies für Kleinkriminelle? Ladendiebstähle sorgen für Debatte in Kalifornien

In den sozialen Medien tauchen immer häufiger Videos auf, in denen man Diebe sieht, die gelassen aus kalifornischen Kaufhäusern laufen. Ohne zu bezahlen und ohne aufgehalten zu werden. Die Republikaner kritisieren die laxe Gesetzgebung im Golden State.
Seit Wochen berichten kalifornische TV-Sender aufgeregt über Ladendiebe, die seelenruhig Diebesgut einheimsen und Supermärkt und Drogerien verlassen, ohne aufgehalten zu werden. Die New York Times berichtet gar über eine Epidemie der Ladendiebstähle. Eine Mitschuld, so folgern die Berichte, trage ein Gesetz namens Prop 47 aus dem Jahr 2014.
Erst ab 950 Dollar ist es ein Verbrechen
Damals wurde unter anderem die Grenze angehoben, wegen der ein Ladendiebstahl als Verbrechen behandelt wird. Bei einem Diebesgut im Wert bis zu 950 Dollar können nicht gewalttätige und nicht vorbestrafte Täter damit rechnen, nicht gleich ins Gefängnis zu müssen. Manche Leute kalkulierten deswegen genau, um Waren im Wert von 949 Dollar zu stehlen, erklärt beispielsweise William Scott, Polizeichef in San Francisco, dem TV Sender NBC.
Die Idee hinter Prop 47 war vor allem, die überfüllten Gefängnisse in Kalifornien zu entlasten. "Es wird ganz klar die Zahl der Insassen reduzieren und so dem Staat Geld sparen, zwischen 150 und 250 Millionen Dollar im Jahr", erklärte der ehemalige Polizeichef von San Diego, William Lansdowne. Zu den Täterinnen und Tätern gehörten nach Polizeiangaben unter anderem Obdachlose, Drogenabhängige – aber auch organisierte Banden, die die Waren auf der Straße verkauften.
Frustierte Staatsanwälte
Staatsanwälte wie Vern Pierson aus der Nähe von Kaliforniens Hauptstadt Sacramento sagen, die Lage sei frustrierend. "Was wir wissen ist, dass es eine kleine Zahl von Menschen ist, die diese Verbrechen immer wieder begeht, weil sie gelernt haben, dass es keine oder nur kleine Konsequenzen für sie geben wird."
Diese Klagen gibt es schon eine Weile. Vor allem republikanischen Politikern ist die progressive Gesetzgebung ein Dorn im Auge. Inwiefern die Ladendiebstähle in diesem Jahr tatsächlich zugenommen haben, ist noch nicht klar. Dazu liegen noch nicht alle Daten vor.
Auch "smash and grab"-Diebstähle sind ein Problem
In die Debatte, wie gut oder schlecht Kalifornien auf die Diebstähle reagiert, mischen sich weitere Komponenten. Drogerieketten wie Walgreens oder Einzelhändler wie Gap beispielsweise schließen viele Filialen, vor allem in ärmeren, sozial schwächeren Städten. Manche Unternehmen begründen dies mit mehr Ladendiebstählen, bei anderen sind wohl auch die Pandemie und der Trend zum Online-Shopping ein Faktor.
Und noch etwas hat die Debatte um die Sicherheitslage und Kriminalität in Kalifornien in den vergangenen Wochen angeheizt: sogenannte "smash and grab"-Diebstähle. In dem Örtchen Walnut Creek, nördlich von San Francisco, stürmten 80 Maskierte einen Laden der Einzelhandelskette Nordstrom und plünderten den Laden regelrecht aus. Ähnliche Szenen gab es in Los Angeles, wo mehr als ein Dutzend Diebe in das Shoppingzentrum "The Grove" drangen.
Sorge ums Weihnachtsgeschäft
Diese Diebstähle haben mit dem Gesetz Prop 47 wenig zu tun, denn die Täter stehlen oft Luxuswaren im Wert von mehreren tausend Dollar. Doch all diese Vorfälle führen dazu, dass Kalifornien wie ein Paradies für Ladendiebe wirkt.
Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom betonte, dass dem nicht so sei. Die Verantwortlichen sollten bestraft werden, die Menschen sich wieder sicher fühlen. Viele Einkaufsmeilen fürchten aber, dass die Diebstähle gerade im laufenden Weihnachtsgeschäft noch einmal zunehmen könnten.