Maske liegt auf einer Straße

Sven Ackerstaff aus dem Taunus erkrankt im Dezember 2020 an Corona. Er ist damals Mitte 30, gesund und noch nicht geimpft. Jetzt spricht er über seine Zeit auf der Intensivstation und die Folgen, die ihn bis heute als Long-Covid-Patient im Alltag begleiten.

Drei, vier, fünf, sechs. Sven und Saskia Ackerstaff spielen Karten. Sie sitzen in ihrem Wohnzimmer in Kelkheim und lachen viel. Auf den ersten Blick verrät nur die Narbe am Hals von Sven, wie schwer der 37-Jährige vor einem Jahr an Corona erkrankt war. Auch Saskia Ackerstaff hatte Corona. Eine Impfung gibt es da noch nicht. Doch weil sie jung und sportlich sind, machen sie sich keine Sorgen.

"Die Angst, ihn zu verlieren, war allgegenwärtig"

Dann geht es Sven Ackerstaff immer schlechter. "Seine Gesichtsfarbe wurde grau, die Lippen blau", erzählt seine Frau. "Seine Atmung wurde extrem kurzatmig. Und ich hab gemerkt, wir kriegen das einfach nicht gemeinsam hin." Sie ruft den Notarzt. Der fährt Sven Ackerstaff ins Krankenhaus. "Ich weiß nur noch, dass ich da oben lag und dass man mir gesagt hat: 'Wenn jetzt der Sauerstoffgehalt nicht nach oben geht, müssen wir Sie ins künstliche Koma legen.'"

Sven Ackerstaff wird intubiert. Er liegt zehn Tage im künstlichen Koma. Dann darf seine Frau ihn das erste Mal besuchen. "Als ich ihn das erste Mal da liegen gesehen hab, bin ich fast ohnmächtig geworden. Mir wurde ein Stuhl gegeben, ich musste erst mal sitzen. Und die Angst, ihn zu verlieren, war allgegenwärtig. Weil es mehrfach einfach auch ganz kurz davor war."

Vier Monate Intensivstation

Insgesamt vier Monate liegt Sven Ackerstaff auf der Intensivstation. Die meiste Zeit davon wird er beatmet, erzählt er. Plötzlich ist nichts mehr selbstverständlich. "Im Krankenhaus selbst musste ich neu erlernen: das Greifen. Was in die Hand zu nehmen. Und später musste ich lernen, wieder selbstständig zu laufen. Oder wieder zu stehen." Besonders schwierig ist für ihn, das Vertrauen in seine Atmung wiederzubekommen, erzählt er.

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„Er hat nichts mehr selber machen können, da wurde ich wirklich zur Vollzeitpflegerin. Und das war eine enorme Belastung. Für die Ehe, für die Beziehung.“ Saskia, Ehefrau von Sven Ackerstaff Saskia, Ehefrau von Sven Ackerstaff
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Seine Frau ist immer an seiner Seite. Für sie besonders schlimm: zu sehen, wie frustriert er häufig war. Und wie hilflos. "Er hat mich bei jedem kleinen bisschen gebraucht. Er hat nichts mehr selber machen können, da wurde ich wirklich zur Vollzeitpflegerin. Und das war eine enorme Belastung. Für die Ehe, für die Beziehung."

"Akzeptieren zu leben, wie es jetzt ist"

Sven und Saskia halten Händchen. Zumindest kleine Spaziergänge sind inzwischen wieder möglich. Doch schon das ist für Sven Ackerstaff eine so große Belastung, dass das nur mit Sauerstoffgerät geht. "Auf der einen Seite kann man verdammt stolz darauf sein, was man geschafft hat. Es ist aber auch eine gewisse Wut und Verzweiflung dabei, was man noch nicht kann. Wo man noch gehemmt oder eingeschränkt ist", sagt Sven.

Auch über ein Jahr nach seiner Erkrankung kann Sven Ackerstaff nicht arbeiten gehen. Die Belastung wäre zu groß. "Wenn ich an unser Leben davor denke, werde ich noch sehr oft traurig. Das ist noch ein Prozess, dass ich das noch akzeptieren muss, zu leben, wie es jetzt ist. Weil die Unbeschwertheit von früher, die ist weg."

Es wird auch anders bleiben, glauben die beiden. Ganz der Alte wird Sven Ackerstaff wohl nicht mehr werden. Für die nahe Zukunft hat er trotzdem einen eigentlich einfachen Wunsch. "Dass ich nicht mehr den Sauerstoff einpacken muss, bevor ich rausgehe. Dass ich einfach so rausgehen kann."

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