Marburgerin holt Flüchtlinge nach Hessen Mit dem Kleinbus an die polnisch-ukrainische Grenze

Immer mehr Menschen fliehen vor dem Krieg in der Ukraine - auch nach Hessen. Eine Marburgerin hat einige von ihnen an der polnisch-ukrainischen Grenze aufgesammelt und nach Caldern gebracht. Unterwegs musste sie allerdings eine schwierige Entscheidung treffen.
Am Sonntag noch in der Ukraine, jetzt, seit einem Tag, in Caldern im Hotel „ Zur Lahnbrücke“ im Landkreis Marburg Biedenkopf in Sicherheit. 21 wild durcheinander gewürfelte Menschen, alle geflohen vor dem Krieg und alle an der polnisch-ukrainischen Grenze eingesammelt von Irina Seta aus Marburg. Sie ist seit 1999 in Deutschland und ist am Sonntagnachmittag mit drei Kleinbussen aufgebrochen an die Grenze.
Zu wenig Platz im Bus
Angestoßen habe sie die ganze Aktion in der Hoffnung, dass sie ihre Familie holen könne aber unterwegs sei klar geworden, dass sie nicht rauskommen. Nur ihre Nichte und deren dreijährige Tochter sind jetzt bei ihr. Bruder, Neffen und ihre Mutter haben es nicht über die Grenze geschafft, dafür war jetzt aber Platz in den Bussen. Ira muss sich am Bahnhof entscheiden: Wer darf noch mit in den Bus ins sichere Deutschland steigen?
"Es war klar, dass wir nicht mehr so viel Platz haben und dann stand da auf einmal eine alleinerziehende Mutter , ihr Kind vielleicht ein Jahr, und eine Mutter, die hatte zwei Kinder, das Mädchen vielleicht zehn, elf, der Junge vielleicht so vier, fünf", erzählt Irina. "Und dann hab die mit dem kleinen Kid mitgenommen und die andere Mutter stand vor mir und hat geweint und hat mich angeguckt und mich gefragt: 'Warum nehmen Sie sie und nicht mich?' Und ich bin innerlich gestorben bei dieser Entscheidung, aber ich hatte keinen Platz. Ich hab sie stehenlassen."
Marburger Geschwisterpaar bringt Aktion ins Rollen
Die alleinerziehende Mutter des einen Kindes ist die 31-jährige Kira, ihr Sohn Assad ist neun Monate alt. Kira ist im Osten der Ukraine aufgewachsen, in Donezk. Bevor dort der Bürgerkrieg zwischen russischen Separatisten und dem ukrainischen Militär vor sieben Jahren ausbricht, flüchtet sie nach Odessa. Und jetzt ein zweites Mal nach Caldern. "Ich habe seit drei Tagen nicht geschlafen", sagt sie. Zuerst sei sie mit dem Zug an die Grenze, dann mit Irinas Bus nach Caldern. "Danke an alle Menschen, die mir geholfen haben, heute habe ich geschlafen - und mein kleiner Sohn auch."
Diese Rettungsaktion hat das Geschwisterpaar Ralf und Michaela Kalabis aus Marburg sprichwörtlich ins Rollen gebracht – dank ihrer Kontakte waren die Busse, die Fahrer und auch die Unterbringung innerhalb von wenigen Stunden zusammentelefoniert. "Es ist auch ein schönes Gefühl, dieses Baby zu sehen, in die Babyaugen zu schauen oder auch in die Augen der anderen zu schauen", sagt Michaela Kalabis, "zu wissen, dass die froh sind, dass die hier sind, dass die dankbar sind. Alles richtig gemacht."
Finanziert durch Spenden und private Gelder
Bis Sonntag können die Familien in Caldern bleiben, danach werden sie in Wohnungen und in ein Haus in Marburg umsiedeln. Unbürokratisch, praktisch – und bisher finanziert durch Spenden und private Gelder.