Filmszene: Lily Collins als "Emily in Paris"

Durch die erfolgreiche Netflix-Serie "Emily in Paris" haben sich die Drehorte in Paris zu Touristen-Hotspots entwickelt. Für manche ein Fluch, für andere ein Segen: Restaurants sind auf Wochen ausgebucht, die Nachbarn sind genervt.

"Es gibt viel, viel mehr Leute, ein ständiger Durchzug von Touristen, die Selfies mit Baskenmützen in allen möglichen Farben machen. Bei Jugendlichen verstehe ich es ja noch, aber es kommen Erwachsene, ganze Familien, Rentner. Das lässt einen wirklich an der Menschheit zweifeln", sagt Nathalie Borneaux. Sie lebt schon ihr ganzes Leben an der Place de l'Estrapade im Zentrum von Paris. Früher stand die Place wohl in keinem Reiseführer, viel eher die prächtigen Gärten, das Panthéon und die Sorbonne-Universität ganz in der Nähe.

Essen wie Emily

Jetzt steht das kleine Plätzchen bei vielen Paris-Reisenden ganz oben auf der Liste. Der Grund: Emily, die Hauptdarstellerin aus "Emily in Paris", wohnt genau hier in der Serie. Hier ist der Italiener mit der bordeauxroten Terrasse, in dem ihr Schwarm arbeitet, die holzvertäfelte Bäckerei, vor der Emily ein Selfie mit einem Schokocroissant im Mund macht. Ihre Fans wollen das gleiche Selfie mit Schokoschnute. Sie kommen aus Australien, Japan, Irland, Brasilien, Italien. "Es ist genauso wie in der Serie, die Umgebung. Es ist, als ob ich in der Serie wäre", sagt einer.

Das Restaurant am Platz ist mittlerweile Wochen im Voraus ausgebucht. Viele Touristen wollen einmal so essen wie Emily, einmal ihr Paris erleben. Dabei lockt die Serie vor allem mit Klischees: Eine Amerikanerin, die sich mit wenigen Brocken französisch bei einer Marketingfirma hochkämpft und nebenbei Influencerin wird. Privat schwankt sie zwischen Single-Dasein und zwei, drei und vier Ex-Beziehungen. Sie hängt meist irgendwo beim Eiffelturm oder dem Louvre ab. Emily in Paris war 2020, die meistgesehene Comedy-Serie auf Netflix. 58 Millionen Haushalte in 93 Ländern haben sie gesehen.

Image der Stadt bei Fans massiv verbessert

Anwohnerin Natalie Borneaux hat die Dreharbeiten aus dem Fenster beobachtet und ist über den Erfolg mehr als erstaunt: "Paris ist nicht wie in der Serie, Paris ist dreckig. Wenn es keine Dreharbeiten gibt, fragen Obdachlose hier nach Geld und vor jedem Dreh machen sie den Platz mit einem Kärcher sauber. Der Copyshop verwandelt sich in das Blumengeschäft mit wunderschönen Sträußen vor dem Fenster. Außerdem fährt Emily nie mit der U-Bahn - im Gegensatz zu allen anderen Parisern. Also mit der Realität hat das überhaupt nichts zu tun."

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„Paris ist nicht wie in der Serie, Paris ist dreckig. Wenn es keine Dreharbeiten gibt, fragen Obdachlose hier nach Geld.“ Natalie Borneaux, Anwohnerin am Place de l'Estrapade Natalie Borneaux, Anwohnerin am Place de l'Estrapade
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Laut einer Umfrage des französischen Meinungs- und Marktforschungsinstitutes IFOP hat sich das Image der französischen Hauptstadt bei amerikanischen Fans der Serie massiv verbessert. Ein Phänomen, das mittlerweile sogar einen Namen hat: der Emily-Effekt. Amerikanerinnen und Amerikaner halten Paris im Durchschnitt für sauberer, vermuten dort seltener Ratten und sie glauben, dass die Serie das typische Leben in Paris darstellt. Ein Erfolgsrezept. Netflix hat schon eine vierte Staffel angekündigt.

Das wahre Leben in Paris

Einer weiteren Anwohnerin am Place de l'Estrapade hat die erste Staffel gereicht. Vor sieben Jahren ist sie selbst als Amerikanerin nach Paris gezogen - so wie Emily also. Sie versteht, dass die Leute eine Serie wollen, die zum Träumen einlädt. Aber sie kennt den wahren Pariser Alltag mittlerweile. Sie ist verheiratet und hat drei Kinder. "Ich sehe die Instagrammer jeden Morgen schon um 8 Uhr früh vor dem Restaurant. Es ist extrem kalt, und sie stehen da mit Minirock und Baskenmütze. Um die Zeit gehe ich raus und bring meine Kinder zur Schule. Also, das ist das wahre Leben. Und jetzt komme ich gerade mit meinen Kindern vom Spazierengehen und sie sind überall mit Eiscreme beschmiert. Auch das ist das wahre Leben in Paris."

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