Studie zu Massenprotesten Was Demonstrationen erfolgreich macht

Wissenschaftler in den USA haben untersucht, weshalb Menschen auf die Straße gehen und wann sie damit etwas erreichen. Über 16.000 Proteste in den letzten 30 Jahren haben sie sich dafür angeschaut. Die meisten, die erfolgreich waren, hatten eine Sache gemeinsam.
Privat löst David Clark gerne Rätsel. Insofern hat der Politik-Professor an der Binghamton University im US-Bundesstaat New York sein Hobby zum Beruf gemacht. Seit gut acht Jahren versucht er nämlich, das Rätsel von Massenprotesten zu lösen: "Was fordern Demonstranten? Was bringt sie auf die Straße? Wann machen Regierungen Zugeständnisse? Und wann reagieren sie mit Gewalt oder verhaften Demonstranten?"
Nackte Radfahrer in Lima und Massenproteste in Hongkong
Um diese Fragen zu beantworten, sammeln er und seine Mitarbeiter eine Unmenge von Daten. Registriert werden alle Proteste seit 1990, an denen mehr als 50 Menschen beteiligt waren: und 16.500 in 162 Ländern. Darunter eher skurrile Aktionen wie die Demonstration nackter Fahrradfahrer in der peruanischen Hauptstadt Lima, aber auch Millionenproteste wie in Hongkong. Doch was haben diese doch sehr unterschiedlichen Massen-Mobilisierungen gemeinsam?
"Die Proteste haben einen höheren Organisationsgrad bekommen in den vergangen zehn Jahren", sagt David Clark. Das habe mit den sozialen Medien zu tun und ermögliche auch die Organisation dezentraler Proteste. Zur Zeit werde auch in den Medien viel über solche führungslosen, dezentralen Proteste diskutiert.
Gewalt verhindert, dass Ziele erreicht werden
Eine weitere Erkenntnis: Proteste, die eine Organisationsstruktur haben – und sei es nur eine informelle – sind tendenziell erfolgreicher und weniger gewalttätig. "Die Organisatoren haben bestimmte Ziele. Oft verhindert Gewalt, dass diese Ziele erreicht werden. Und so versuchen Organisatoren, Gewalt zu unterbinden", sagt Clark. Wenn Demonstranten friedlich seien, werde es auch schwieriger für die Sicherheitskräfte, Gewalt zu rechtfertigen. "Wenn die Demonstranten Steine schmeißen, dann ist es leichter, Wasserwerfer aufzufahren oder sogar in die Menge zu schießen."
Was im Internet-Zeitalter aber auch zum Boomerang für Regierungen werden kann. Denn die Organisatoren von Protesten können Bilder von gewalttätigen Übergriffen schnell weltweit verbreiten. Auf der anderen Seite bietet die moderne Technik autoritären Regimen auch viele Möglichkeiten, Demonstrationen zu unterbinden, sagt Clark: "Das sehen wir häufig - etwa im Iran. Dort werden die Anführer von Protesten mit moderner Technik aufgespürt oder das Internet einfach abgeschaltet, um die Organisation zu verhindern." In der Spätphase des Gaddafi-Regimes seien auf jedes Handy in Libyen Nachrichten versendet worden: Geh zurück zur Arbeit, geh nicht das Risiko ein, auf die Straße zu gehen.
Proteste in den USA wurden nicht untersucht
In den vergangenen sieben Jahren hat Clarke zudem einen Trend zu Protesten beobachtet, die die Absetzung von Regierungen fordern. "Das hat – zum Teil jedenfalls – damit zu tun, dass es immer mehr populistische Bewegungen gibt. Denn sie bezeichnen politisch Verantwortliche häufig als korrupt und verlangen deren Absetzung."
Das erinnert an den Sturm aufs Kapitol in Washington vor einem Jahr. In der Datensammlung des "Mass Mobilisation Projects" taucht dieser Umsturzversuch jedoch gar nicht auf. Denn das Projekt beschränkt sich auf Proteste außerhalb der USA. Was auch damit zusammenhängen dürfte, dass es von der "Political Instability Task Force" gefördert wird – eine vom US-Auslandsgeheimdienst CIA finanzierte Forschungsgruppe, die sich für die Ursachen von Staatsversagen interessiert. Aber natürlich nur außerhalb der USA.