Verschwörungsmythen in Corona-Zeiten Die "Hefe" für den politischen Widerstand

Corona-Impfungen seien eine Biowaffe, eingesetzt von ein paar sehr Reichen: Von diesen und ähnlichen Verschwörungsmythen sind einige Menschen fest überzeugt. Die, die sie in die Welt setzen, wissen oft, dass sie nicht stimmen. Für die, die daran glauben, machen sie schwierige Situationen leichter. Eine Umkehr ist meist schwer.
Jeden Montag demonstrieren im sächsischen Bautzen Corona-Skeptiker und Verschwörungsideologen. „Die öffentlich-rechtlichen Medien sagen uns nicht die Wahrheit“, ist da zum Beispiel zu hören. Petra Stark erklärt dort den Kontraste-Reportern: Nicht das Coronavirus sei gefährlich, sondern die Impfungen dagegen. „Das ist die Biowaffe, nicht der Virus. Das ist die Impfung, die Biowaffe.“ Auf die Frage, wer diese Biowaffe aus ihrer Sicht einsetze, sagt sie: „Das sind ein paar ganz Reiche, zum Beispiel Rothschild.
Die Rothschilds, eine jüdische Bankiersfamilie, seit Jahrhunderten Objekt von Verschwörungsmythen. Sie würden zu einer weltweiten Elite gehören, die die Menschheit kontrollieren und dafür dezimieren will. Davon sind die Frührentnerin Petra Stark und ihr Lebenspartner Uwe Fröhlich überzeugt.
Psychologische Hilfe in schwierigen Zeiten
Gerade in schwierigen Zeiten wie der jetzigen Pandemie glauben Menschen schneller an solche Erzählungen, sagt Harald Lamprecht, der Weltanschauungsbeauftragte der Evangelischen Kirche in Sachsen. Denn das biete psychologische Hilfe: „So eine Pandemie ist natürlich eine Situation, die eine große Unsicherheit auslöst und einen großen Kontrollverlust mit sich bringt. Wenn man Schuldige benennen kann, dann ist das Schicksal nicht mehr ganz so diffus und das macht es Menschen offenbar leichter, damit klarzukommen.“
Im Sog der Lügen – wie Verschwörungsideologien Hass säen
Mehr zum Thema sehen Sie am 4.11. um 21:45 Uhr in der Sendung Kontraste im Ersten. [mehr]
Ende der weiteren InformationenFür diese Erleichterung nimmt Petra Stark offenbar sogar in Kauf, dass ihre Familie wegen ihrer Ansichten zerbricht. Ihre Söhne haben den Kontakt abgebrochen, sie darf die Enkel nicht mehr sehen, sagt sie unter Tränen. Und trotzdem: „Ich muss es einfach in Kauf nehmen. Das sagt mir mein Herz, mein Gefühl. Ich muss das machen, was ich jetzt mache und Leute aufklären.“
"Hält den Volksdiskurs am Laufen"
Petra Stark informiert sich vor allem in den sozialen Medien im Internet. Dort aber finden Nutzer, sagen Wissenschaftler und Journalisten dem Kontraste-Team, etliche Halbwahrheiten und Falschmeldungen, die zudem weit ins rechtsradikale Lager führten. Ein wichtiger Akteur dieser alternativen Medien ist Jürgen Elsässer, Chefredakteur des Magazins Compact. Der Verfassungsschutz stufte es als rechtsextremen Verdachtsfall ein.
Im Kontraste-Interview gibt er zu, dass er viele der Verschwörungsmythen selber nicht glaubt, sie aber für politisch nützlich hält: „Es ist nicht die Wahrheit, aber es hält sozusagen den Volksdiskurs am Laufen. Und das ist sozusagen die Hefe, aus der ein politischer Widerstand im rationalen Sinn erst entstehen muss.“
Schwierige Umkehr
Ein Widerstand, zu dem sich auch Petra Stark aufgefordert fühlt. Sie müsse, sagt sie, die Menschen retten vor dem angeblichen Massenmord durch die Impfungen. Zweifel? Selbst wenn - für Betroffene sei es schwer, sich diese einzugestehen, sagt die Politikwissenschaftlerin Katharina Nocun: „Man muss bedenken, was für eine innere Kraft das auch kosten muss, sich einzugestehen: ‚Ich habe kolossale Fehlentscheidungen getroffen, Dinge verbreitet, die unwahr sind. Ich habe vielleicht auch Gesundheitsempfehlungen abgegeben, die brandgefährlich waren.‘“
Aber von Zweifeln ist Petra Stark auch weit entfernt. Das sagt sie den Kontraste-Reportern auch noch einmal sehr deutlich: „Hoffentlich sagt Ihr dieses Mal die Wahrheit den Leuten!“