Virologin Sandra Ciesek 2G-Regel sorgt für "falsche Sicherheit"

Auch knapp zwei Jahre nach Beginn der Corona-Pandemie gibt es noch viele Fragen: Wie lange hält der Impfschutz? Brauchen wir regelmäßige Booster-Impfungen? Und was bringt die 2G-Regel? Die Virologin Sandra Ciesek hat Besuchern an der Frankfurter Bürger-Universität Antworten gegeben.
Es ist eine beruhigende und ernüchternde Erkenntnis gleichzeitig: Die Corona-Impfung ist keine Impfung gegen SARS-Cov-2 sondern gegen Covid-19. Also keine Impfung gegen die Infektion mit dem Virus, sondern der Schutz vor einer schweren Erkrankung. Der Schutz vor einer Erkrankung sei hoch, aber der Infektionsschutz und damit auch der Übertragungsschutz nimmt drei Monate nach der Impfung nach und nach ab, sagt Sandra Ciesek. Die Medizinerin und Virologin ist Direktorin des Instituts für Medizinische Virologie am Universitätsklinikum Frankfurt und Professorin für Medizinische Virologie an der Goethe-Universität.
Impfschutz auch nach Booster wohl nicht dauerhaft
"Wir haben natürlich, auch nachdem wir Impfungen durchgeführt haben, geschaut, inwieweit Antikörper auf den Schleimhäuten des Respirationstrakts, also in der Nase und im Mund, gebildet werden. Dass sie relativ schnell wieder abnehmen und nicht mehr nachweisbar sind, sind dann Hinweise, dass man sich wieder infizieren kann", so Ciesek.
Eine weitere Veranstaltung der Frankfurter Bürger-Universität zum Thema "Covid-19 und die gesundheitlichen Folgen" findet am 1. Dezember um 17 Uhr statt. Hier können Sie sich anmelden.
Ende der weiteren InformationenEin Impfstoff, der Antikörper bildet, die dauerhaft in der Nase bleiben, wird noch gesucht. Werden wir also um regelmäßige Auffrischungsimpfungen künftig nicht herumkommen? "Wir müssen jetzt mal schauen, wie lange die Drittimpfungen schützen - vor Ansteckung und auch vor einer Infektion, das weiß man noch nicht. Ich gehe davon aus, dass das zwar länger sein wird als nach zwei Impfungen, aber nicht dauerhaft", sagt Ciesek.
Impfstoffe weiterhin sehr gut wirksam gegen schwere Verläufe
Sie vermutet, dass für spezielle Gruppen regelmäßige Booster nötig sein werden. Die Auffrischungsimpfung, die an diesem Mittwoch (18.11.) von der Ständigen Impfkommission für alle über 18-Jährige empfohlen wurde, führt bei allen zu einem deutlichen Anstieg der neutralisierenden Antikörper. Und schützt vor der Weitergabe. Die dritte Impfung könnte also mithelfen, einen schlimmen Winter in Deutschland zu verhindern.
Aber was ist mit den Menschen, die trotz Impfung krank werden und sogar ins Krankenhaus müssen? "Es gibt ja immer diese Zahlen, 20 bis 30 Prozent der Patienten auf Intensivstationen seien vollständig geimpft", sagt Ciesek. Das sei aber eine Zahl, die sehr verwirrend sei für den Laien, denn man müsse natürlich mit einberechnen, "wie viel Prozent der über 60-Jährigen in dem Fall insgesamt geimpft sind und wie viel Prozent nicht geimpft sind. Und wenn man sich das ausrechnet, dann sieht man, dass die Impfstoffe weiterhin sehr gut wirksam sind gegen schwere Verläufe."
2G-Regel plus Test
Wo man mit Impfungen nicht weiterkommt, ringt die Politik um andere Maßnahmen - um die „Ich habe keine Lust mehr-Welle“, wie Sandra Ciesek sie bezeichnet, einzudämmen. Die 2G-Regel beispielsweise hilft aus Sicht der Virologin da nur bedingt: "Natürlich ist das eine falsche Sicherheit, in der man sich wiegt, weil die Personen, die auf dieser Veranstaltung sind, können sich trotzdem infizieren, das Virus unbemerkt weitergeben und dann in andere Bevölkerungsschichten tragen." Zum Beispiel mit nach Hause, wo der kranke Vater oder die ältere Großmutter wartet - das sei dabei die Gefahr.
Das gilt besonders für 2G-Veranstaltungen ohne Maske oder mit sehr vielen Teilnehmern. Im Grunde genommen, sagt Sandra Ciesek, brauchen wir 2G mit Test. Und Menschen, die im Zweifel jetzt selbst Verantwortung übernehmen, auch wenn das am Donnerstag im Bundestag beschlossene Infektionsschutzgesetz allgemeine Ausgangssperren oder Lockdowns nicht vorsieht.
"Im Kleinen anfangen"
Sie selbst habe in den nächsten zwei Wochen alle Veranstaltungen abgesagt, für die sie hätte reisen müssen, sagt Ciesek. Einfach, weil es ihr im Moment zu gefährlich sei und sie so ihren Beitrag leisten könne. "Und so müssen wir im Kleinen auch anfangen zu denken, um massive Einschränkungen zu verhindern - dass jeder einfach abwägt, was muss ich jetzt noch machen, was kann ich verschieben, was geht online zum Beispiel."