Lee Jae-myung (AP)

Bei den Präsidentenwahlen in Südkorea im März wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem demokratischen und dem konservativen Kandidaten erwartet. Um für sich zu werben, braucht es Ideen. Der jüngste Coup des Demokraten Lee: Er verspricht bei einem Sieg kostenlose Behandlungen gegen Haarausfall. Und trifft damit offensichtlich den Nerv vor allem der jungen Wählerschaft.

Die eine Hand hat er aufs Knie gestützt. Leicht zu seinen Zuschauern nach vorn gebeugt, sagt der Präsidentschaftskandidat der Demokraten direkt in die Kamera. "Sie wollen für Lee stimmen, dann pflanzen Sie Lee Jae-myung" – ein Wortspiel in Anlehnung an Haartransplantationen. Der Politiker selbst hat, anders als Amtsinhaber Moon Jae-in, eher dichtes Haar: "Viele Menschen um mich herum leiden unter Haarausfall, und ich habe mich immer gefragt, warum Behandlungen nicht von der Versicherung übernommen werden. Ich dachte also, dies wäre ein gutes Thema."

Eines, das sich Lee jedoch nicht selbst ausgedacht hat, sondern das Jugendkomitee seines Wahlkampfteams. Das hat offenbar in die Statistiken der Nationalen Krankenversicherung geblickt. Denn dort sieht man, dass sich 2020 vor allem Männer in zwischen 20 und 30 Jahren zum großen Teil auf eigene Kosten behandeln ließen, obwohl Haarausfall in Asien generell erst viel später beginnt.

Weniger Haare, weniger potent?

Viele Fernsehbeiträge handeln jetzt von Haarausfall, zeigen lichte Männerschädel von oben oder Patienten, die sich mit der Bürste auf den Kopf hauen in der Hoffnung, dass da wieder was wächst. Dieser Mitzwanziger findet Lees Vorschlag super: "Wenn es weniger kostet, wird Haarausfall weniger zur Last." Ähnlich sieht es dieser Koreaner, wie er im Sender JTBC erzählt. "Die Kosten, die bei Haarverlust auf einen zukommen, sind höher als ich dachte. Ich finde es deshalb eine gute Idee, dass er einen Lösungsvorschlag gemacht hat. "

Die Tageszeitung Korea Herald zitiert einen Dermatologen, der die gestiegenen Behandlungszahlen vor allem auf einen höheren Stellenwert des Äußeren als auf mehr lichtes Haar zurückführt. Denn anders als in Deutschland, wo Geheimratsecken und wenig Haare bei Männern üblich sind, werden sie in Korea eher als Stigma empfunden. In einer nicht-repräsentativen Studie, die in der internationalen Zeitschrift für Dermatologie veröffentlicht wurde, heißt es, kahlköpfige Männer würden als alt und unattraktiver wahrgenommen – und zum Teil auch als weniger potent.

Mit Populismus punkten

Für Lee Sang-Ee, Professor an der Graduiertenschule für Medizin der Jeju National University, ist der Vorschlag des demokratischen Präsidentschaftskandidaten vor allem populistisch: "Dann müssten auch andere kosmetische und Hautbehandlungen bezahlt werden, und das würde doch kein Land machen." Auch die Sprecherin der koreanischen Medizinervereinigung, Park Su-hyeon ärgert sich über das Wahlkampfthema: "Wir müssen uns fragen, ob Haarausfall wirklich wichtig ist. Immer noch gibt es Krankheiten, deren Behandlung nicht bezahlt wird, obwohl sie einen direkten Einfluss auf unsere Gesundheit haben."

Ob populistisch oder nicht: Dem Demokraten Lee hat das Haarausfall-Thema auf jeden Fall Punkte und Sympathien beschert. Er hatte zumindest in dieser Frage die besseren Berater als sein konservativer Konkurrent. Dessen jüngster Vorschlag, das Ministerium für Gleichstellung abzuschaffen, ging eher nach hinten los.

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