Wissenswert Warum die Natur den Egoismus erfand

Egoismus gilt gemeinhin als Untugend. Doch wenn er nicht irgendeinen Sinn hätte, hätte er sich gewiss schon der Evolution geschlagen geben müssen. Eine biologische Ehrenrettung eines in Verruf geratenen Begriffs.
In Nachfolge Jesu Christi ist Egoismus unmöglich. Denn ein Ziel des Christentums ist die uneigennützige Liebe, so die Theologie. Die Biologie freilich, die alte Spielverderberin, sieht die Angelegenheit mal wieder anders. Die sagt nämlich: Egoismus gehört zum Leben, zum tierischen zumindest, wie der Ellbogen an den Arm. Die Wurzeln der naturgegebenen Eigennützigkeit liegen dabei im Sozial-, besonders im Konkurrenzverhalten – und das bei Menschen, Fledermäusen, See-Elefanten, Hummeln ...
Alles dreht sich um Sex ...
Und was bringt das nun? Die Antwort verblüfft und war doch irgendwie erwartbar: Egoismus hilft, die eigene biologische Fitness zu erhöhen. Das heißt, er lässt einen Ressourcen besser ausnutzen, somit passt man sich besser an die Umwelt an – und das verbessert am Ende die eigene Fortpflanzungsfähigkeit und optimiert die Weitergabe der Familiengene in die nächste Generation. Alles dreht sich also wieder mal um Sex.
Und selbst wenn man‘s auf den ersten Blick mit Uneigennützigkeit zu tun hat – also mit Altruismus statt Egoismus –, dient dieses helfende Verhalten am Ende auch dem eigenen Vorteil. Bei uneigennützigen Menschen etwa, da mehrt der Gemeinsinn auch das persönliche Ansehen. Was zu der Formulierung führte: „Altruismus ist Egoismus mit Wohlgefühl“.
Aus der biologischen Theorie heraus kann also jedes Verhalten auch durch die Egoismus-Brille erklärt werden. Denn: Jeder bewussten Tat liegt eine individuelle Abwägung zugrunde, was einem die Tat nützt. Wobei da vermutlich nicht jeder gleich an Sex denkt.
Positiver und negativer Egoismus
Das bisher Gesagte war nun natürlich eine biologisch sehr weitgefasste Definition. Im engeren Sinn gilt es als egoistisch, wenn man bewusst Nachteile für andere in Kauf nimmt und auf seinen Vorteil bedacht ist - obwohl es Alternativen gäbe. Unterschieden wird übrigens auch noch zwischen positivem und negativem Egoismus. Ein Extrembeispiel für negativen Egoismus wäre das Töten von eigenen Artgenossen. Davon lebt jeder Krimi, aber selbst Löwen, Staren oder Hörnchen ist das nicht fremd. Ergo schadet negativer Egoismus anderen, positiver nicht – womit wir wieder beim Altruismus sind.
Um nochmal auf das Christentum zurückzukommen: An zumindest einer Stelle öffnet es sich dann doch der Biologie. Wenn es heißt „Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst“. Ein wenig Egoismus gesteht es uns also doch zu. Positiven natürlich, weil auch der „Nächste“ daran teilhaben kann.