Schildkröte im Wasser

Sie sind langsam, langweilig und nicht besonders helle: Diese Vorurteile über Schildkröten stimmen gar nicht alle, sagt hr-iNFO-Wissenschaftsredakteur Stephan Hübner. Manche der Panzertiere könnten sogar in einer Stunde von Alsfeld nach Homberg an der Ohm schwimmen. Und das ist längst nicht alles.

Was macht Schildkröten so interessant?

Hübner: Das fängt an beim Höchstalter, das Schildkröten erreichen können – die älteste bekannte soll 256 Jahre alt geworden sein. Bei den alten Babyloniern und Ägyptern galten Schildkröten als heilig. Sie lebten schon vor über 200 Millionen Jahren auf der Erde, also schon vor den Dinosauriern. Es gibt Schildkröten, die Quallen fressen – und, und, und!

Am 23. Mai ist Weltschildkröten-Tag. Warum wurde er ins Leben gerufen?

Hübner: Dass es den Welt-Schildkröten-Tag seit 22 Jahren gibt, hängt vor allem damit zusammen, dass die Organisation "American Tortoise Rescue" auf die Bedrohung vieler Schildkrötenarten hinweisen wollte. Wir kennen heute etwa 360 Schildkrötenarten - und von denen ist etwa die Hälfte in irgendeinem Maße bedroht. Ganz dramatisch sieht es etwa für die asiatische Yangtze-Riesenweichschildkröte aus, die über einen Meter lang und 140 Kilo schwer werden kann - und von der vielleicht noch vier Tiere existieren.

Weshalb? Was macht diesen Tieren das Leben so schwer?

Hübner: Das sind unter anderem Lebensraumzerstörung, Jagd und illegaler Handel. Eine besondere Rolle spielen in dem Kontext die Schildkrötenpanzer. Die werden schon seit Jahrtausenden genutzt. Im antiken Griechenland wurden aus ganzen Panzern Musikinstrumente gemacht, auch in Afrika. Die oberste Hornschicht der Meeresschildkrötenpanzer, das Schildpatt, wurde als Material für Schmuck, Kämme oder Einlegearbeiten populär. Und obwohl durch das Washingtoner Artenschutzabkommen ganz genau geregelt ist, welche Schildkröten wie gehandelt werden dürfen, ist da immer noch ein Markt mit Kilopreisen von bis zu 5000 Euro.

Das Washingtoner Artenschutzabkommen regelt seit 1975 den internationalen Handel mit gefährdeten Arten. Es wird also auch etwas für die Schildkröten getan, oder?

Hübner: Ja, es gibt eine ganze Menge, was zum Schutz der Schildkröten getan wird. Und es gibt auch wie bei anderen Tieren konkrete Artenschutzprojekte wie zum Beispiel die Wiederansiedlung der Europäischen Sumpfschildkröte in Hessen und anderen Teilen Deutschlands. Diese Schildkröte ist die einzige wildlebende Schildkrötenart bei uns und sie war bis ins 19. Jahrhundert als Fastenspeise beliebt. Sie wurde also weggefuttert und gleichzeitig verschwanden geeignete Lebensräume. Und da setzen sich jetzt etwa der NABU, der Zoo Frankfurt und weitere Organisationen dafür ein, diese Art wieder zurückzubringen – beispielsweise in die Wetterau.

Sind Schildkröten eigentlich wirklich so langsam und unbeweglich, wie viele denken?

Hübner: Jain. Es gibt Schildkrötenarten, die können klettern. Andere können sogar fast schon marschieren. Die größte Schildkrötenart der Welt, die meeresbewohnende Lederschildkröte, könnte in einer Stunde von Alsfeld nach Homberg an der Ohm schwimmen – und das mit bis zu 900 Kilo Körpergewicht! Und dann sind bestimmte Schildkröten zu überraschend schnellen Bewegungen anderer Art fähig. Ein Beispiel ist der Nahrungsfang bei der südamerikanischen Fransenschildkröte. Als Laubhaufen getarnt, lauert sie im Wasser Fischen auf und saugt sie blitzschnell mit dem Mund ein, wenn sie in Reichweite sind.

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