Serie: Wie wir unser Trinkwasser künftig besser nutzen können Wir machen den Regen nach – weniger Grundwasser, mehr Infiltration

Trinkwasser wird in Hessen zu mehr als 90 % aus Grundwasser gewonnen - aber in manchen Regionen kommt nicht genug neues Grundwasser nach. Im hessischen Biebesheim lässt sich besichtigen, wie eine Lösung aussehen kann: Einfach ausgedrückt wird dort gewissermaßen der Regen nachgemacht.
Der Rhein bei Kilometer 463,6 bei Biebesheim. Hier fließt das Fluss-Wasser in eine Doppel-Rohrleitung. Gar nicht weit weg liegt das Brauchwasserwerk Biebesheim, da wird das Rhein-Wasser aufbereitet. Michael Polotzek ist der Betriebsgruppenleiter in diesem Werk: "Der Rhein ist vom Standort Biebesheim in ca. 400 Meter Luftlinie entfernt", sagt Polotzek, „wir haben zwei Transportleitungen, die am Rhein am Entnahmebauwerk angeschlossen sind. Mittels Pumpen wird das geförderte Wasser dann hier in die Flockungsaufbereitung gefördert."
"Flockungsaufbereitung" - einfacher ausgedrückt: hier wird das Wasser in verschiedenen Schritten gereinigt: Algen-Rückstände, Verunreinigungen, Geruchsstoffe – all das wird hier herausgeholt. Chemikalien helfen dabei, innerhalb von 60 Minuten aus dem Rheinwasser ein Wasser in Trinkwasserqualität zu machen. Und wenn das Wasser sauber ist, landet es in gigantisch großen Zwischenspeichern. Da passen etwa 10.000 Kubikmeter Wasser rein.
Abhilfe für trockene Winter
Auch da führt uns Polotzek hin - es sind beeindruckende Bauwerke, in denen blitzsauberes Wasser in einer Art Kuppelbau glitzert. Aus diesem Zwischenspeicher werden 5 Millionen Kubikmeter Wasser über ein 300 Kilometer langes Rohrnetz zu den Feldern der Landwirte geleitet. Es wird zur Bewässerung verwendet. „Landwirtschaftliche Beregnung" heißt das. Und der Rest? Der dient der „Grundwasseranreicherung".
Wir fahren mit Michael Polotzek in den Gernsheimer Wald. Dort wird Grundwasser gefördert, um daraus Trinkwasser für die Rhein-Main-Region zu gewinnen. Das bedeutet: wir holen das Grundwasser aus dem Boden. Aber diese Grundwasserreservoirs müssen ja wieder aufgefüllt werden. Michael Polotzek erklärt das so: Die natürliche Grundwasserneubildung erfolgt in den Wintermonaten durch Regen oder Schnee. Und wenn es gerade sehr trockene Wintermonate gibt, in denen die natürliche Grundwasserneubildung nur in sehr geringem Maße stattfindet, müsse man das Grundwasser eben „anreichern".
Reicht das aufbereitete Wasser?
Genau dafür dient das aufbereitete Rheinwasser. Hier im Gernsheimer Wald wird es in den Boden geleitet und versickert dort wieder. Interessant ist daran: Wir machen uns dadurch ein Stück unabhängig vom Klima und vom Wetter: Wenn es wenig regnet, wird mehr aufbereitetes Wasser im Boden versickert, um die Grundwasserspeicher wieder aufzufüllen. Wenn es viel regnet, dann ist es weniger.
Die Frage ist allerdings: kann in sehr trockenen Jahren immer genug Wasser aufbereitet werden, um das Grundwasserreservoir wieder aufzufüllen? Michael Polotzek antwortet, das Brauchwasserwerk Biebesheim habe eine Kapazität von 39 Millionen Kubikmetern pro Jahr. Mehr geht nicht und vor 2 Jahren arbeitete das Brauchwasserwerk mit Volllast.
Die Kosten des Klimawandels
Das bedeutet: Die Kapazitäten sind durchaus begrenzt. Wenn infolge des Klimawandels regelmäßig Trockenphasen noch länger werden als bisher – dann reicht die Kapazität im Brauchwasserwerk Biebesheim nicht mehr aus, um auszugleichen, was wir für unseren Trinkwasserverbrauch aus dem Boden geholt haben.
Jetzt soll geprüft werden, ob die Aufbereitungskapazitäten ausgeweitet werden können. Die Landesregierung unterstützt eine Machbarkeitsstudie für ein weiteres Brauchwasserwerk mit 400.000 Euro, immerhin 80 % der Gesamtsumme für die Untersuchung. Das wird etwa 2 Jahre dauern. Wenn ein neues Brauchwasserwerk dann machbar sein sollte, steht die nächste Frage an: Woher kommt das Geld für diese Investition?
Klar ist: lösbar sind die Probleme bei der Trinkwasserförderung. Klar ist aber auch: diese Lösungen werden viel Geld kosten.