Wissenswert: Von Hessen nach "Deutsch-Afrika": Witzenhausen und sein koloniales Erbe
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Was hat eine hessische Kleinstadt mit der deutschen Kolonialgeschichte zu tun? Witzenhausen in Nordhessen ist bekannt als "Kirschenstadt" und "Transition Town", die auf nachhaltige Entwicklung setzt.
Viel weniger bekannt ist das koloniale Erbe von Witzenhausen: Eine unbequeme Vergangenheit, die bis in die Zeit der deutschen Kolonialgeschichte zurückreicht.
Podcast
Von Hessen nach "Deutsch-Afrika": Witzenhausen und sein koloniales Erbe
In Witzenhausen befand sich die erste deutsche Kolonialschule. Von 1898 bis 1944 wurden hier junge Männer zu Tropenlandwirten ausgebildet. Nach ihrer Ausbildung wurden die Landwirte in die deutschen Kolonien nach Afrika geschickt, um dort zu siedeln und den "deutschen Geist" zu verbreiten - notfalls auch mit Gewalt.
Heute können Studierende der Uni Kassel in Witzenhausen ökologische Landwirtschaft studieren - auf dem Gelände der ehemaligen Kolonialschule, deren juristisches Erbe heute das "Deutsche Institut für tropische und subtropische Landwirtschaft" inne hat.
Einige Studierende haben begonnen, das koloniale Erbe von Witzenhausen kritisch aufzuarbeiten: Von der rassistischen Herrenmenschen-Ideologie, die an der ehemaligen Kolonialschule vermittelt wurde, bis zu den Verstrickungen der damaligen Absolventen in den Völkermord an den Herero und Nama.
In Witzenhausen haben Bürgerinnen und Bürgerinnen damit begonnen, sich mit ihrer kolonialen Vergangenheit zu beschäftigen. Angeregt von hr2-kultur /literaturland und vielen anderen Kooperationspartnern haben sie sich in Workshops mit dem kolonialen Erbe ihrer Stadt auseinandergesetzt. Entstanden ist dabei eine multimediale Reportage, die viele Bilder, Stimmen und Perspektiven zeigt: "Perspektivenwechsel: Witzenhausen und sein koloniales Erbe".
Christiane Kreiner begibt sich in ihrer Wissenswert-Sendung auf einen "postkolonialen Stadtrundgang" durch Witzenhausen und erzählt von einem vergessenen Kapitel hessischer Kolonialgeschichte.
Infos zum Projekt Perspektiven wechseln. Witzenhausen erzählt Geschichte(n)
Literaturtipps
Die Spur des Schädels. Hg. Marion Hulverscheidt, Holger Stoecker und Christian Hülsebusch, Witzenhausen 2017 ISBN - Nr: 978-3-945266-02-1
Die Geschichte der Restitution eines Human-Remain aus der Sammlung des Deutschen Instituts für tropische und subtropische Forschung-Gmbh
Raus Rein. Texte und Comics zur Geschichte der ehemaligen Kolonialschule in Witzenhausen
Hg. von Marion Hulverscheidt und Hendrik Dorgathen
Texte und Zeichnungen der Comic-Klasse Kassel
178 Seiten, avant-verlag 2016
Wie kann man heute dem schwierigen Kapitel deutscher Kolonialgeschichte begegnen? Studierende der Kunsthochschule Kassel haben sich in die Bibliothek des DITSL begeben, in den Archiven gewühlt und daraus einen Band mit Comics entwickelt. https://www.avant-verlag.de/comics/raus-rein/
Karsten Linne: Von Witzenhausen in die Welt. Ausbildung und Arbeit von Tropenlandwirten 1898 bis 1971
526 Seiten, Wallstein Verlag 2018
Der Historiker Karsten Linne hat die Geschichte der ehemaligen Kolonialschule wissenschaftlich ergründet. "Von Witzenhausen in die Welt" heißt sein 500 Seiten starkes Buch, das die Geschichte der Ausbildung und Arbeit von Tropenlandwirten erzählt. Er hat die Schülerakten der ehemaligen Kolonialschule (DKS) untersucht, die im Archiv der DITSL-Bibliothek aufgehoben sind.
Link zum Buch