Europäische Sumpfschildkröte

Reptilien faszinieren Groß und Klein aus unterschiedlichsten Gründen. Weil sie etwa giftig sind wie eine Kobra, gut getarnt wie ein Chamäleon oder einfach nur süß, so wie die meisten Schildkröten. Aber speziell Schildkröten haben es derzeit ganz schön schwer. Über die Hälfte aller Schildkrötenarten gilt nämlich als gefährdet oder gar kurz vor dem Aussterben. Sie zählen damit zu den am stärksten bedrohten Land-Wirbeltieren überhaupt.

Auf die Krise der Schildkröten aufmerksam macht der Welttag der Schildkröten am 23. Mai. Eine dieser bedrohten Schildkrötenarten kommt sogar von Natur aus bei uns in Deutschland vor: Die Europäische Sumpfschildkröte. Auch ihr geht es aktuell nicht gut. Die Europäische Sumpfschildkröte lebt vor allem in Seen, Teichen und Flüssen. Bis zu 25 Zentimeter wird sie lang. Insgesamt erscheint sie dunkel mit einem Muster aus gelben Streifen und Linien. Fast ein Sternenhimmelmuster hat sie.

"Jedes Mal, wenn wir Schildkröten frei lassen und sie werden Leuten in die Hand gegeben: Selbst der größte Grantler kriegt ein Strahlen im Gesicht. Die Sumpfschildkröte ist ein Herzöffner!" Allerdings einer, dem es in der Natur nicht so gut geht, sagt Kathrin Theissinger vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum in Frankfurt am Main. Das Trockenlegen von Feuchtgebieten, Straßenverkehr und Fischerei ließen die Schildkröten vielerorts aussterben.

Gefährdet durch Mensch - und Tier

Und gegessen wurden sie obendrein. "Es gibt so Kupferstiche, wo man so Wagen sieht, große, wo einfach Schildkröten draufgeworfen wurden, Holzwagen, die von Pferden gezogen wurden, die dann voll sind mit Schildkröten und dann Richtung Stadt transportiert wurden, um dort gegessen zu werden", erzählt Theissingers Mitarbeiter Johannes Meka. Mittlerweile machen den Schildkröten aber auch tierische Neubürger das Leben schwer – etwa der Waschbär oder ausgesetzte nordamerikanische Wasserschildkröten.

"Das sind ganz kleine Babyschildkröten, die man kaufen kann, die nimmt man dann nach Hause, und diese Schildkröten bleiben aber nicht klein. Dadurch entscheiden sehr viele Halter eben, sie freizulassen", berichtet Melitta Vamberger vom Senckenberg Museum für Tierkunde in Dresden. Sie fand erstmals heraus, dass die nordamerikanischen Schildkröten mittlerweile auch in Deutschland überleben und sich fortpflanzen können. "Das war eine große Überraschung für uns, wo jetzt natürlich der nächste Schritt wäre zu gucken: Was machen denn die Schildkröten? Haben sie einen Einfluss auf das Ökosystem? Was für ein Einfluss ist das?"

1.000 Schildkröten in freier Wildbahn

Machen sie etwa unseren Sumpfschildkröten Lebensraum, Nahrung und Eiablageplätze streitig? Das könnte die Wiederansiedlung nachgezüchteter Europäischer Sumpfschildkröten in renaturierten Feuchtgebieten erschweren. Auch deshalb untersuchen Kathrin Theissinger und ihr Team, ob die Wiederansiedlungsprojekte wirklich so konzipiert worden sind, dass sie Erfolg haben. "Und es ist eben auch so, dass wir versuchen herauszufinden, inwieweit die Sumpfschildkröte als Botschafter dienen kann, um die Menschen wieder mit der Natur zurückzuverbinden", sagt Theissinger. "Weil Feuchtgebiete tatsächlich das Problem haben, dass sie nicht sehr wertgeschätzt werden von der Bevölkerung. Weil das stinkt, das Wasser, da gibt’s Moskitos, da kann man auch nicht Felder anpflanzen, ne, aber Schildkröten mag jeder."

Und deshalb sollen allein in Hessen bis zum Jahr 2028 insgesamt 1.000 Schildkröten ausgewildert werden. In Glauburg-Stockheim in der Wetterau, an der Fulda bei Schlitz oder am Kühkopf bei Stockstadt. Ähnliche Projekte gibt es in Rheinland-Pfalz, im Elsass, in Mecklenburg-Vorpommern und sogar in Lettland. Ob sie erfolgreich sind, dass entscheidet sich aber frühestens, wenn die Schildkröten sechs bis acht Jahre alt sind. Denn dann werden sie geschlechtsreif und legen ihre ersten Eier. Und wenn dann wieder Babyschildkröten durch Teiche und Flüsse paddeln, dann ist sie da: Die Zuversicht, dass die Europäische Sumpfschildkröte auch langfristig wieder bei uns heimisch wird.

Sendung: hr-iNFO "Aktuell", 23.5.2023, 6 bis 12 Uhr