Zeil seit 50 Jahren autofrei "Die Geschäftsleute haben weniger Kundschaft befürchtet"

Auch wenn viele ihre Einkäufe heute im Internet erledigen, die Frankfurter Zeil zieht immer noch Menschenmassen an. Seit 50 Jahren ist sie Fußgängerzone. Ernst Gerhardt hat damals darüber mitentschieden und erinnert sich daran, wie umstritten das war.

Passanten im Fußgängerbereich der Zeil in Frankfurt am Main. Aufgenommen in den 1970er Jahren.
Bild © picture-alliance/ dpa | Manfred Rehm
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Ernst Gerhardt kommt immer noch regelmäßig in die Frankfurter Innenstadt – kein Klacks für einen 101-Jährigen. Er besucht jede Woche die Heilige Messe im Frankfurter Dom und genehmigt sich danach einen Weißwein-Schoppen in der Altstadt.

Der Rummel auf der Zeil lockt ihn heute weniger – anders als 1973, als die Zeil zur Fußgängerzone wurde: „Das war ein Tagesunternehmen. Für die Familie war das was Besonderes, wir gehen in die Stadt und kaufen ein.“

"Dominierende Straße in Frankfurt"

Für Autos war die breite Straße dann tabu. Dabei waren sie zuvor zu zehntausenden durch die Zeil gefahren, auf zwei Spuren pro Fahrtrichtung. Aber Anfang Mai wurde die Zufahrt gesperrt, zunächst probeweise für drei Monate.

Die einen jubelten, von der anderen Seite gab’s einen Aufschrei, vor allem von den Händlern, wie sich Gerhardt erinnert. Er war damals als Kämmerer in der Stadtregierung für die Finanzen zuständig: „Die Geschäftsleute haben befürchtet, dass weniger Kundschaft in die Warenhäuser kommen. Das ist aber nicht eingetreten, die Zeil ist die dominierende Straße in Frankfurt geblieben.“

Die Zeil blieb Autofrei

Das hat die Stadtregierung während der Testphase akribisch ausgewertet. Das Ergebnis stand am 22. August 1973 in der Zeitung: Autofreie Zeil soll bleiben, titelte die Frankfurter Rundschau.

Auch Gerhardt trug die Entscheidung mit, obwohl der Christdemokrat damals wie heute kein Autogegner ist. „Die Autos gehören so zum Leben in einer Großstadt, wie die Radfahrer und alle anderen Verkehrsteilnehmer auch.“ Aber die Fußgängerzone, sagt Gerhardt, hat Frankfurt gut getan, ist zum Magnet geworden für Shoppingfreunde, auch aus dem Umland.

Magie vergangener Tage?

Belebt ist die Straße zwar immer noch, aber die Menschen kaufen dort nicht mehr so viel ein, hat jetzt das Marktforschungsinstitut Hystreet festgestellt. Auch für viele Passanten hat die Zeil ihre Magie verloren: alkoholisierte Menschen, Müll und Schlägerein an den Wochenenden - Grund für viele die Straße eher zu meiden.

Ernst Gerhardt dagegen sieht’s gelassen. Er erlebt die Aufs und Abs in seiner Heimatstadt nun schon seit rund einem Jahrhundert. Ob ihm die Zeil denn noch gefalle: „Ach Gott, was heißt gefallen? Das ist die Großstadt und es gibt ja auch manchmal so Strömungen. Dann ist wieder eine andere Woge am Kommen.“

Und vielleicht erlebt auch die Zeil noch mal einen Aufschwung, so wie vor 50 Jahren, als die Fußgängerzone wurde.

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Sendung: hr-iNFO "Aktuell", 22.8.2023, 6 bis 9 Uhr

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Quelle: hr-iNFO