EU-Parlament bei Nacht

An diesem Freitag soll nach zwei Wochen der Weltklimagipfel zu Ende gehen. Oft kommen Einigungen auf solchen Gipfeln erst in letzter Minute und nach langen, zähen Verhandlungen zustande. In Brüssel etwa gehören solche Nachtsitzungen zum Alltag - inklusive ungewöhnlicher Ideen, um durchzukommen.

Brüsseler Gipfeltage und –nächte sind so kraftraubend wie sie lang sind. Immer geht es um die zähe Suche nach Kompromissen – und meistens um Geld. Viel Geld. Beispiel: der Marathongipfel vom Juli 2020. Alles schwierig, alles noch komplizierter als erwartet, klagte Italiens damaliger Ministerpräsident Guiseppe Conte schon vor Beginn des Gipfels. Immerhin stand der Corona-Aufbaufonds und der nächste mehrjährige EU-Finanzrahmen auf der Tagesordnung.

Knapp 92 Stunden für die Quadratur des Kreises

"Es kann auch sein, dass es zu keinem Ergebnis kommt", sagte die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel - aber sie wollte natürlich unbedingt ein Ergebnis. Sie galt nicht ohne Grund als "Kompromissmaschine" mit besonderer Ausdauer. "Trotzdem ist da noch ne Quadratur des Kreises zu schaffen", merkte sie damals an - und die wurde dann auch tatsächlich geschafft, nach vier Tagen und vier Nächten, nach einer Gesamtdauer von 91,5 Stunden. Fast ein Rekord. Nur der Gipfel von Nizza, bei dem es im Dezember 2000 um einen neuen EU-Vertrag ging, war 25 Minuten länger.

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"Der Tag": Die Macht der Nacht – Verhandeln bis Sonnenaufgang

Um nächtliche Verhandlungen geht es auch in unserer Sendung "Der Tag" - am 17.11. um 19:05 Uhr und im Anschluss hier als Podcast.

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Immer wieder kam und kommt es bei EU-Verhandlungen zu schlaflosen Nächten. 2012 standen nach Marathonverhandlungen zu neuen Banken-Eigenkapitalregeln keine Dolmetscher mehr zur Verfügung - die Finanzminister mussten auf Englisch weiterverhandeln. Schon 1964 dauerte es 40 Stunden, um eine Einigung im Agrar- und Fischereirat zu finden. Bis heute gilt dieses Gremium als besonders berüchtigt. Für Dutzende Fanggebiete und Fischarten werden die Höchstfangmengen ausgehandelt, und zwar auf die Tonne genau. Bis in die frühen Morgenstunden.

An der Pommesbude mit Angela Merkel

Ob Hering, Brexit, Eurokrise, Pandemie oder die Details der Sanktionspakete gegen Russland, Stichwort Ölembargo: Brüsseler Nächte gehen an die Substanz – und da muss man sich zu helfen wissen. So wie Angela Merkel, die in einer kalten Oktobernacht während festgefahrener Brexit-Verhandlungen rausging an die frische Luft – um samt Delegation Pommes zu essen.

"Ja, plötzlich stand sie da", erzählt Antonio del Vecchio, Chef des "Maison Antoine", der wohl berühmtesten Brüsseler Pommesbude am Place Jourdan. Eine Tüte Fritten, dazu die pikante hausgemachte Sauce "Andalouse" – ein klassischer belgischer Snack. Den braucht's manchmal. Denn wenn es um Sachzwänge geht, um komplexe Themen, um nationale Interessen, aber auch um das Bedürfnis großer politischer Egos nach Drama - dann spielen Uhrzeit und Biorhythmus keine Rolle mehr.

Harte Themen erst nach dem Abendessen

Diese Erfahrung macht nun auch Olaf Scholz als Bundeskanzler. "Es sieht so aus, dass alle gut und konstruktiv miteinander diskutieren. Man soll nie den Tag vor dem Abend loben, aber alles, was ich wahrnehme ist, dass es Gespräche gibt, die mit dem Willen zu einer Verständigung geführt werden, und das ist gut."

Oft kommen die harten Gipfel-Themen erst nach dem gemeinsamen Abendessen aufs Tableau, manchmal bilden sich Gesprächsgruppen in wechselnden Formaten - bis man sich Stunden später wieder zusammenfindet.

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