Das Thema - Leben in der Dauerkrise

Steigende Preise, schlechte Zukunftsaussichten – während die Folgen der Corona-Pandemie noch immer nachwirken, dauern der Krieg in der Ukraine und der Klimawandel weiterhin an. Immer mehr macht sich deshalb eine Erschöpfung breit, auch in Hessen.

Audiobeitrag

Podcast

Die erschöpfte Republik – Wege aus dem Dauerkrisenmodus

Das Thema - Leben in der Dauerkrise
Ende des Audiobeitrags

Die Familie Vick aus Eppstein im Main-Taunus-Kreis spürt die Dauerbelastung der Krisen in den vergangenen Jahren. Ellen Vick ist Marketingmanagerin. Sie und ihr Mann merken, wie sich Rahmenbedingungen in ihrem bisher angenehmen Alltag allmählich verschieben. "Als beispielsweise wir das Haus gebaut haben, hatten wir Konditionen, wo man sofort gesagt hat: Ja, das macht Sinn, das kann man irgendwie tun." Heute habe man dieses Gefühl nicht mehr.

Ihr Mann Stephan leitet eine Firma und sieht das ähnlich: "Jetzt hatten wir Corona, dann kommt dieser Krieg in der Ukraine. Da stellt sich dann die Frage: Was kommt als nächstes? Wie geht das jetzt weiter?" Sie hätten schon gescherzt, es fehlten nur noch die Außerirdischen. "Just wurde dann im amerikanischen Fernsehen auch berichtet, dass die Außerirdischen schon gelandet sind."

Permanentes Gefühl der Ohnmacht

Mit ihrem Unverständnis für die Situation sind sie nicht allein. Erst jetzt merkten viele Menschen, wie kräftezehrend die Corona-Pandemie gewesen ist. Eine Pause wäre dringend nötig gewesen, um die "posttraumatische Belastungsstörung" der Gesellschaft zu verarbeiten, sagen Wissenschaftler um den Soziologen Klaus Hurrelmann.

Stattdessen lösen die Krisen ein permanentes Gefühl der Ohnmacht aus. Auch bei Stephan Vick. Corona- Pandemie, der Krieg in der Ukraine und das Klima seien alles Dinge, die er in Deutschland relativ wenig beeinflussen kann. "Aber ich kann dafür sorgen, dass unsere Kinder gut ausgebildet sind, dass es denen auch gut geht, das sind alles Themen, die uns viel mehr beschäftigen als irgendwelche Themen, die einfach drüber gestülpt werden."

"Anreize statt Verbote"

Wie Vick sähen viele Menschen inzwischen vorrangig eigene Probleme und zögen sich in ihr privates Umfeld zurück. Das hat das Kölner Rheingold-Institut in einer weiteren Studie festgestellt. Gerade junge Menschen sorgten sich um ihre Zukunft. Die psychischen Belastungen treffen sie besonders hart. Die jungen Eltern merken ebenfalls: Sich auf Veränderung einzulassen, kostet Energie, auch das kennt Stephan Vick: "Sich damit auseinanderzusetzen ist tatsächlich auch relativ anstrengend und kostet auch mehr Energie als es sein normalerweise sein müsste, wenn man in einem stabilen Umfeld, so wie es in Deutschland eigentlich auch davor immer war, sich bewegen würde."

Dieses Bedürfnis nach Stabilität ist eine typische Folge der Volks-Erschöpfung, wie Soziologe Hurrelmann fest stellt. Angela Merkel habe in ihrer Zeit als Kanzlerin in ihrer Politik stets beruhigt und den Bürgern vermittelt, sie könne die Dinge regeln. Weil die Absprachen innerhalb der Ampelkoalition hingegen nicht immer funktionierten, erscheine die aktuelle Regierung manchmal planlos, so der Soziologe Hurrelmann. Ellen Vick fragt sich auch: "Wie geht das, dass wir mit einer Regierung so agieren, dass Entscheidungen so schnell getroffen werden, dass überhaupt keine Handlungsmöglichkeit mehr besteht, sondern dass du dich manchen Dingen einfach ausgeliefert siehst?"

Politisch seien solche Zweifel vor allem ein Nährboden für die AfD, meinen die Forscher. Die Lösung für die Sorgen der Menschen läge laut der Studie jedoch vielmehr in einem positiven, konstruktiven, und vor allem im kreativen Denken der Bevölkerung. "Anreize statt Verbote" sei also für die Politik die Devise.

Weitere Informationen Ende der weiteren Informationen