Russisches Spezialitätengeschäft in Ludwigsburg

Rund Zwanzigtausend Menschen mit Wurzeln in Russland leben heute in Hessen. Sie sind zum Teil Spätaussiedler, zum Teil aber auch Geflüchtete, die ihr Land verlassen haben. Wie geht es diesen Menschen angesichts des Krieges heute?

Nein, reden wollen sie nicht, vor allem nicht in ein Mikrofon. Das ist die Antwort, die Redakteur Carsten Gohlke immer wieder erhält, auch wenn er die Menschen in ihrer Muttersprache höflich um ein Gespräch bittet. Andere drehen sich sofort weg oder legen einfach den Telefonhörer auf, wenn er sie anruft. Es regiert die Angst, so das Gefühl. Vielleicht sind sie aber auch einfach nur genervt, von den immer gleichen Fragen zum Krieg, zu Russland, zu Putin. hr-Redakteur Gohlke trifft sich mit Tatjana in ihrem Garten. Auch sie will nicht über Politik reden: "Ich habe sehr viel Kontakt mit Heimatdeutschen und wir sind sehr freundlich alle untereinander.“ Ihre Leben sei bunt. So wie ihre Herkunft, lacht die heute Siebzigjährige: "Ich habe eine ukrainische Mama, mein Papa ist aus Weißrussland, ich bin Russin und verheiratet mit einem deutschen Mann, mein Schwiegersohn ist aus Polen, meine Kinder sind Deutsche und ich habe mehr als 30 Jahre in Kirgistan gelebt.“

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„Der Krieg, der dort passiert kommt durch Konflikte auch hierher“ Alexej Lemmer, Priester Alexej Lemmer, Priester
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Sie hat gebacken und ihren Prieser von der russischen Kirche eingeladen. Alexej Lemmer ist ein junger Mann mit lachenden Augen. Für ihn steht derzeit Hilfe an erster Stelle, egal ob Russe, Ukrainer oder welcher Nation auch immer: "Natürlich gibt es seit dem letzten Jahr noch mehr Sorgen zwischen Leuten, die hier sind oder dort sind. Der Krieg, der dort passiert kommt durch Konflikte auch hierher. Es ist sehr leicht die Kontakte zu verlieren, aber auch die Kontakte wieder herzustellen.“

Russischstämmige Menschen erleben Anfeindungen

Er bete jeden Tag für den Frieden, so der Prieser. Er hat Pawel mitgebracht. Pawel ist Handwerker und Pawel ist sauer: "Ich besuche viele Kunden und es gab Situationen, in denen wurde ich angeschrien, ich sei ein Freund Putins und wir müssten alle ausgewiesen werden.“ Seit vielen Jahren repariert er Gasanlagen in Deutschland. Er hat viele Freunde gefunden, aber er spürt auch den Hass und die Anfeindungen.

Doch nicht nur Pawel ist bereits wegen seiner russischen Herkunft attackiert worden. Auch seine Kinder leiden unter ihren russischen Wurzeln und dafür hat Pawel überhaupt kein Verständnis: "Wenn sie nach Hause kommen von der Schule und erzählen, dass der Lehrer über Putin und Politik gesprochen hat, dann sage ich, dass das reicht. Der Lehrer soll über sein Fach reden  - wie über Mathematik oder Physik, aber nicht diesen politischen Scheiß.“

Die Hoffnung auf ein Ende des Konflikts bleibt

Tatjana legt noch einmal von ihrem Kuchen nach und schenkt Tee ein. Vater Alexej, wie er von Pawel und Tatjana genannt wird, hofft darauf, dass die Menschen sich wieder besinnen: "Ich hoffe, dass die ältere Generation die Krise irgendwie ausgleichen wird. Die ältere Generation hat erlebt, dass es früher zwischen Russland und Deutschland viele gemeinsame Projekte und eine gute Zusammenarbeit gab. Und ich hoffe das diese Generation auch einen Einfluss auf die jüngere haben wird, damit alle verstehen, dass Hass nicht der Weg ist.“

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Mehr zum Thema "Russischstämmige Menschen in Deutschland" finden Sie in der ARD-Dokumentation "7 Tage ... russisch fühlen — deutsch leben" in der ARD-Mediathek.

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