Einer der Wölfe des Rheingauer Rudels

Der Wolf ist zurück in Hessen. Er galt in unseren Wäldern als ausgerottet. Aber er ist wieder da! Und das sogar in großer Zahl. Angriffe von Wölfen auf Rinder, Kühe, Schafe oder Lämmer haben in Hessen im vergangenen Jahr stark zugenommen. Das bestätigt auch das Hessische Wolfszentrum in Gießen.

Die gute Nachricht gleich vorweg: Menschen wurden in Hessen bisher nicht von den Wölfen angegriffen. Dafür aber viele Tiere. Im gerade abgelaufenen Untersuchungsjahr 2022 waren es 22 Übergriffe, die nachweislich von Wölfen ausgegangen sind. Die Folge: Über 60 tote Schafe, Lämmer, Rinder. Die Zahlen haben sich in Vergleich zum Vorjahreszeitrum mehr als verdoppelt. Dabei waren sie vor drei Jahren noch rückläufig. "Grundsätzlich ist der Wolf ein Opportunist, das heißt, er ist extrem anpassungsfähig", sagt Jos Hornung vom Wolfszentrum des Landes Hessen in Gießen. "Der Wolf kommt mit uns Menschen sehr gut klar und dementsprechend ist auch die Vermehrung des Wolfes in den nächsten Jahren zu erwarten."

Drei Rudel mit Jungen sowie drei Einzeltiere sind in Hessen bisher nachgewiesen. Wie viele Tiere genau, ist unklar. Um die 20 seien es wohl, so die Schätzungen Sie leben in sechs Revieren - vor allem in Nord und Osthessen. Die Sorge in Hessen ist jedenfalls groß. In Sontra-Hornel im Werra Meißner Kreis hat Landwirt Tobias Wagner schon Wölfe von der Weide mit dem Auto vertrieben: "Ich bin in die Weide hineingefahren und habe die Wölfe verjagt. Das war die einzige Chance, die Tiere loszuwerden. Wir haben es mit Rufen, Klatschen, Hupen und jeglichem Lärm versucht, aber das hat alles nicht funktioniert. Erst der direkte Kontakt mit dem Auto samt Lichthupe hat dazu geführt, dass die Wölfe die Weide verlassen haben."

Stromschläge als Abwehrmaßnahme

Der Wolf steht unter Natur-Schutz. Er darf nicht gejagt werden. Die einzige Chance um Wölfe abzuhalten sind Elektro-Zäune. Die sind auch effektiv. Aber Sie müssen immer in einem Top Zustand sein, sonst findet der Wolf die  Schwachstelle im Zaun: "Der erste Impuls des Wolfs ist das Unterschlüpfen oder das Durchschlüpfen durch Löcher," sagt Jos Hornung vom Gießener Wolfszentrum. "Das versucht der Elektro-Zaun zu verhindern. Der Wolf bekommt einen Stromschlag und soll sich merken, dass Weidetiere für Schmerzen sorgen. Allerdings gibt es bei diesen Elektro-Zäunen auch Schwierigkeiten, weil natürlich immer Strom auf der Leitung sein muss. Und in unwegsamem Gelände sind diese Zäune natürlich auch schwierig zu stellen.

Weidezäune sind zudem teuer. Da sind für die Landwirte schnell 40.000 bis 50.000 Euro fällig. Trotz Zuschüssen vom Land Hessen. Die wenigsten Landwirte haben diese Zäune bisher. In Waldkappel im Werra-Meißner-Kreis erzählen Landwirte, sie fahren deshalb sogar mitten in der Nacht nochmal auf die Weide, um nach ihren Tieren zu schauen.

Wer hat Angst vorm "bösen" Wolf?

Aber auch Menschen haben Angst vorm Wolf, wie der Jäger Karl-Heinz Ebert aus dem Werra-Meißner-Kreis berichtet: "Der Wolf hat Hunger. Und wir sind jetzt soweit, dass die Bevölkerung hier auf dem Land Angst hat. Denn der Wolf läuft um und teilweise sogar durch die Dörfer. Der Waldkindergarten hier in Waldkappel wird beispielsweise schon gar nicht mehr betrieben. Es geht längst nicht mehr nur um die gerissenen Tiere."

Menschen müssten sich allerdings keine Sorgen machen. Sie könnten mit dem Wolf friedlich zusammenleben - da ist sich Jos Hornung vom Gießener Wolfszentrum sicher. Dass ein Wolf angreift, sei äußerst unwahrscheinlich, Das hätte internationale Studien belegt.

Sendung: hr-iNFO "Aktuell", 19.06.2023, 6 bis 9 Uhr