Maus

Einen Radiobeitrag einsprechen, während eine Maus durch die Wohnung flitzt. Wie in vielen Großstädten hat auch Washington mit Ratten und Mäusen zu kämpfen. Manchmal verirren sie sich auch in Wohnungen - unter anderem in die von Korrespondent Arne Bartram. Und das natürlich ausgerechnet direkt vor einem Wochenende mit anschließendem Feiertag.

Als Reporter habe ich schon in den ungewöhnlichsten Situationen Texte in ein Mikro gesprochen. Wenn während der Bereitschaft eine wichtige Eilmeldung kommt, muss es eben schnell gehen. Also habe ich mich mit meinem Aufnahmegerät schon mal in eine Zugtoilette gestellt oder mitten im Wald scheinbar Selbstgespräche geführt. Aber neben Ungeziefer in meiner Wohnung einen ganzen Radiobeitrag zu produzieren, das war hoffentlich eine einmalige Sache. Es ist Samstagabend, ich bin bei einem Kollegen auf einer Gartenparty, als plötzlich die Eilmeldung kommt: "Staatspleite abgewendet, US-Regierung und Opposition haben sich im Streit um höhere Schulden geeinigt." Ich fahre mit einem Taxi in meine Wohnung mit Homeoffice-Arbeitsplatz, schließe die Wohnungstür auf, und plötzlich flitzt da etwas quer durchs Wohnzimmer: eine Maus.

Normalerweise hätte ich mich jetzt wahrscheinlich im Schlafzimmer verbarrikadiert, aber ich muss ja arbeiten. Und natürlich steht die ganze Technik im Wohnzimmer. Ich setze mich also an den Schreibtisch, produziere meinen Radiobeitrag, während ich im Augenwinkel am anderen Ende des Zimmers immer mal wieder die Maus herumhuschen sehe. Natürlich passiert das Ganze ausgerechnet an einem verlängerten Wochenende mit Feiertag. Also muss ich mir ein bisschen länger die Wohnung teilen, bis endlich Schädlingsbekämpfer Phil zu mir kommt.

"Typisch amerikanische Handwerker!"

Und Phil weiß, was er tut. Während ich nachts in meiner Wohnung alle Ecken ohne Erfolg nach dem Mäuseloch abgesucht habe, geht Phil direkt in die Küche und nickt mit seinem Kopf zum Herd. Er zieht ihn nach vorne, und tatsächlich dort, wo das Stromkabel in die Wand geht, ist ein großes Loch. Groß genug für mindestens 15 Kabel - oder eben eine Maus. Ich bin ganz überrascht, wie er das so schnell gefunden hat, aber Phil sagt nur: "Typisch amerikanische Handwerker!" Die würden immer so große Löcher für Kabel bohren und die Öffnungen nicht zumachen. So sieht das hier überall aus in den alten Häusern, meint er.

Ich wohne in einem für Washington klassischen Backsteinhaus aus dem 19. Jahrhundert. Dass viele Mäuse und Ratten jeden Abend draußen um das Haus herumlaufen, daran habe ich mich ja schon gewöhnt. Aber im Haus und besonders in meiner Wohnung will ich die Tiere dann aber wirklich nicht haben. Phil hat durch das Loch noch ein paar Giftköder geworfen und es dann mit Drahtgitter zugemacht. Ich frage ihn noch, wie viele solche Einsätze er jeden Tag hat. Er grinst nur und meint: "Genug!" Ich hätte mit meiner Gegend aber noch vergleichsweise Glück gehabt. Andere Stadtteile von Washington seien viel schlimmer dran. Wo es am schlimmsten ist, will ich noch von ihm wissen: Georgetown, sagt er. Und dreimal dürfen Sie jetzt raten, wo das ARD-Studio liegt.

Sendung: hr-iNFO "Aktuell", 01.07.2023, 6 bis 12 Uhr