Dunkles Meer mit Gewitter darüber

Wenn jemand wegen Panikattacken zur Psychotherapeutin geht, dann gehört eine Art Realitätscheck dazu: Wie real ist das, wovor ich Angst habe? Genau das hat unsere Autorin mit der Angst vorm Klimawandel getan. Wie berechtigt ist sie mit Blick auf wissenschaftliche Fakten?

Macht der Klimawandel das Leben auf der Erde schwieriger?

Der Grundzusammenhang ist wissenschaftlich klar und unumstritten: Der höhere Gehalt von CO2 und anderen menschengemachten Treibhausgasen in der Atmosphäre heizt die Erde auf. Die Temperaturen steigen fast überall auf der Welt, es gibt schon jetzt mehr heiße und extrem heiße Tage als früher. Jetzt, 2023, stehen wir bei 1,2 Grad zusätzlicher menschengemachter Erderwärmung, und in spätestens 10 bis 20 Jahren werden wir mit sehr großer Sicherheit bei 1,5 Grad Erwärmung und mehr angekommen sein.

Um diesen Anstieg noch zu verhindern, müssten die Treibhausgasemissionen jetzt weltweit sehr schnell auf Null sinken, etwa bis Ende dieses Jahrzehnts, das wäre schneller als selbst die ehrgeizigsten Klima-Programme vorsehen. Es wird aber nicht nur heißer. Sondern ein wärmeres Klima heißt auch, ganz laienhaft gesprochen: Das Wetter kriegt mehr Wumms. Regenfälle werden stärker und extremer, Hurrikans, Stürme und Überschwemmungen zerstörerischer und häufiger, Trockenperioden extremer und länger.

Inger Andersen ist die Chefin den UN-Umweltprogramms (UNEP). Die Aussagen des neuestens Weltklimaberichts fasst sie so zusammen: "Er sagt uns, dass der Klimawandel eine echte Bedrohung für das Wohlergehen der Menschen und des Planeten ist. ER sagt uns, dass wir sehr nah an der 1,5-Grad-Grenze sind. Und dass selbst diese Grenze nicht sicher ist für Menschen und den Planeten."

Reality-Check-Ergebnis Nummer 1 ist also: Der Klimawandel macht das Leben auf der Erde für die Menschen unberechenbarer und schwieriger. Heute schon und künftig wohl noch stärker. 

Hat der Klimawandel Einfluss auf das Wetter?

Das Wetter wird also extremer. Aber kann man überhaupt wissenschaftlich fundiert sagen, dass eine bestimmte Hitzewelle oder eine Überschwemmung auf den Klimawandel zurückzuführen ist? Ja und nein. Es gibt in der Klimaforschung einen Forschungszweig, der sich genau mit dieser Frage beschäftigt: Die sogenannte Attributionsforschung. Und eine der absolut führenden Attributionsforscherinnen weltweit ist eine Deutsche: Friederike Otto, Professorin an der Uni Oxford. Sie sagt: "Wir werden niemals sagen: Dieses Ereignis hätte ohne den Klimawandel nicht stattfinden können, denn ultimativ ist jedes Extremwetterereignis einzigartig und es ist immer das Ergebnis ganz vieler verschiedener Gründe. Aber was wir sagen können ist eben, wie sich die Wahrscheinlichkeiten für verschiedene Wetterereignisse verändern können."

Die Flut im Ahrtal im Jahr 2021 zum Beispiel. Friederike Otto und ihr Team haben ausgerechnet: In einer Welt ohne Klimawandel hätte die Chance derart heftiger Regenfälle und Überschwemmungen 1:800 betragen. In unserer aktuell schon wärmeren Welt dagegen 1:400. Salopp gesagt: Die Flut im Ahrtal war immer noch Pech oder Schicksal oder Zufall. Aber der Klimawandel hat die Chance, dass dieses Schicksal zuschlägt, etwa verdoppelt. Auch für andere Wetter-Ereignisse kann man so den Klima-Faktor ausrechnen: Die jüngste Hitzewelle Ende April in Südspanien, Portugal und Marokko zum Beispiel ist durch den Klimawandel etwa 100 Mal wahrscheinlicher geworden. 

Reality-Check-Ergebnis Nummer 2: Der Einfluss des Klimawandels aufs Wetter ist messbar – und er führt tatsächlich zu mehr Extremwetter-Katastrophen. 

Weitere Informationen

funkkolleg. Klima

Welchen Wert hat unser persönlicher CO2-Fußabdruck? Sind Bio-Tomaten auch gut fürs Klima? Können wir mit neuen Energieträgern wie grünem Wasserstoff den Klimawandel schnell ausbremsen? Das hr-"funkolleg. Klima" mit Jennifer Sieglar hat die Antworten.

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Wird der Klimawandel Auswirkungen auf den Menschen und die Gesellschaft haben?

So weit also Physik und Wahrscheinlichkeitsrechnung. Was die Klimawissenschaft aber weit schwerer fassen und prognostizieren kann, ist der menschliche Faktor. Wie reagieren einzelne Menschen, wie reagieren Gesellschaften, wenn mehr Katastrophen zuschlagen? Die Schweizer Klimaforscherin Sonia Seneviratne zum Beispiel forscht zu Dürre und Trockenheit. Die Klimaerwärmung, sagt sie, macht es künftig viel wahrscheinlicher, dass gleichzeitig in mehreren Gegenden der Welt große Dürren ausbrechen und Nahrungsmittel knapp werden.  Aber was dann genau passiere, ob es zu Konflikten führe, weil gewisse Länder dann keine Nahrungsmittel exporteieren wollten: "Diese Konsequenzen für die Gesellschaft, das können wir viel weniger vorhersagen", sagt Seneviratne.

Reality-Check-Ergebnis Nummer 3: Klimabedingter Hunger, Kriege, Flüchtlingsbewegungen – all das lässt sich schwer "vorhersagen". Aber die Ereigniskette Dürre – Hunger – Krieg – die ist alles andere als weithergeholt. 

Sich gedanklich mit diesen – tatsächlich ziemlich angsterregenden – Szenarien auseinanderzusetzen ist also eigentlich ziemlich rational. 

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