Palais de Justice de Bruxelles

In Belgien dauert es immer mal wieder etwas länger mit der Regierungsfindung nach Wahlen. Nicht verwunderlich, dass die Restaurierung des Justizpalastes in Brüssel in Vergessenheit geraten ist - seit 40 Jahren. So lange versperrt schon ein ganz unmajestätisches Baugerüst die Sicht auf das Gebäude.

Der Justizpalast in Brüssel ist die ewige Baustelle Belgiens: Das Gebäude ein Koloss, seit fast 40 Jahren eingerüstet in einen riesigen metallenen Käfig – seit sich die ersten Risse durchs Mauerwerk zogen. Es ist kein Prachtbau mehr voller Säulen, Statuen und Aufbauten, sondern ein baufälliges Wrack – seit langem.

Drinnen quietscht eine Tür zum Herzen des Gebäudes, der Empfangshalle aus Marmor, dem Salle des Pas Perdue, dem Saal der verlorenen Schritte. Seine Decke ist 80 Meter hoch, allein der Saal 3.600 Quadratmeter groß. Ein weiteres Brüsseler Wahrzeichen, das Rathaus der Stadt, hätte darin Platz, erzählt man sich. Einfach alles ist riesig am Brüsseler Justizpalast: egal ob Saal, Treppe oder Tür. 1883 war es nach mehr als 20 Jahren Plan- und Bauzeit angeblich das größte Gebäude der Welt, abgesehen von der Cheops-Pyramide in Ägypten.

Ein Gerüst für das Gerüst

Heute gilt der Justizpalast noch immer als das weltweit größte Gerichtsgebäude – was für den für Gebäude zuständigen belgischen Staatssekretär Mathieu Michel auch ein Wahrzeichen für Belgiens Demokratie ist: "Eine funktionierende Justiz ist ein Zeichen der Demokratie und ein Gerichtsgebäude ist das Symbol der Justiz. Und das gilt doch ganz besonders für das größte Gerichtsgebäude der Welt."

Und so hat es sich der liberale Politiker vom Movement Réformateur seit zwei Jahren zur Aufgabe gemacht, den Justizpalast von seinem ewigen Gerüst zu befreien. Die Restaurierung stand seit 1984 offenbar niemals oben auf der Prioritätenliste vorheriger Regierungen. Mehr als 1,5 Millionen Euro soll der belgische Staat bis heute für das Gerüst bezahlt haben. Jetzt ist es selbst baufällig – und muss mit einem neuen Gerüst gestützt werden, wie Michel erklärt: "Wir mussten das alte Gerüst abstützen, damit wir darauf können, um zu sehen, was restauriert werden muss, total verrückt!" Das Schmunzeln darüber bleibt Michel im Halse stecken. Dazu sei die Sache mit dem Dauer-Gerüst zu blamabel, meint er.

"Eine Schande für jeden Belgier"

Nun sei alles genehmigt, das Geld bewilligt. Die Arbeiten sollen im September beginnen, dann steigen Fachleute aufs Gerüst und klären, was wo zu tun ist. Klar ist bereits, dass mindestens jeder dritte Stein ausgetauscht werden muss. 80 Millionen Euro soll das alles kosten, sagt Michel – von Mehrkosten allein wegen der steigenden Preise will er nichts hören, die Restaurierung und der Abbau des Gerüsts sind sein Prestigeprojekt: "Es ist wichtig für mich und wichtig für viele Belgier. Ich bekomme viel Zuspruch: Sie sagen, das Gebäude ist ein Symbol der Demokratie und das Gerüst davor eine Schande für jeden Belgier."

Kaum jemand kennt den riesigen Bau ohne Gerüst – auch Michel nicht: "Ich war drei Jahre alt, als sie das Gerüst aufgebaut haben. Viele Belgier haben den Justizpalast nie ohne Gerüst gesehen. Und die anderen können sich nicht daran erinnern."

Gerüstfrei zur zweihundertjährigen Feier

Das Gebäude ist immer weiter verfallen: Auf dem Dach wachsen Sträucher, drinnen unzählige Wasserschäden und Schimmel, die Decken sind marode, kommen in einigen der um die 250 Räume runter. Innen aber wird erst in einem zweiten Schritt saniert werden.

Trotz allem ist der Justizpalast der Sitz des höchsten belgischen Gerichts, es wird dort verhandelt und es gibt sogar vier nagelneue Hochsicherheitsgerichtssäle. Alles von außen eingerüstet in unzählige Metallstangen. Die ersten von ihnen sollen schon im kommenden Jahr fallen: Die Hauptfassade soll dann ohne Gerüst dastehen – seit 40 Jahren zum ersten Mal. Gebäudestaatssekretär Michel macht sich dann eine Flasche Champagner auf. Oder auch mehrere, "denn es sind eine Menge Menschen, die auf diesen Zeitpunkt warten."

Komplett restauriert und ohne Gerüst soll die Fassade des Brüsseler Justizpalast bis 2030 sein – pünktlich zur zweihundertjährigen Feier der Unabhängigkeit Belgiens.

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