Ukrainische Soldaten sitzen während eines Militärtrainings auf einem sogenannten APC, einem gepanzerte Mannschaftstransportwagen.

Kann es als Kriegsbeteiligung gewertet werden, wenn ukrainische Soldaten auf deutschem Boden an Waffen ausgebildet werden? Ja, sagte der frühere Bundeswehrgeneral Harald Kujat im Gespräch mit hr-iNFO. Aber stimmt das? Ein Faktencheck.

Diesen Satz sagte General a.D. Harald Kujat am Montagmorgen in hr-iNFO:

Zitat
„Die Frage, wie man Kriegspartei wird, hat ja der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages schon am 16. März vergangenen Jahres beantwortet: nicht alleine durch Waffenlieferungen, aber wenn zu den Waffenlieferungen hinzukommt, dass die Soldaten daran ausgebildet werden. Und das ist ja der Fall, schon seit einiger Zeit.“ Harald Kujat, General a.D. Harald Kujat, General a.D.
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Ist Deutschland also völkerrechtlich wirklich schon Kriegspartei - entgegen aller bisherigen völkerrechtlichen Annahmen und Aussagen? Selina Rust aus der hr-iNFO Politikredaktion hat sich das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes angesehen.

Was steht in dem Gutachten?  

Das Gutachten wurde von Wissenschaftlern verfasst, die den Bundestag neutral beraten sollen. In dem zwölfseitigen Schreiben vom März 2022 gehen sie darauf ein, ab wann Deutschland und andere NATO-Staaten Teil des Krieges zwischen Russland und der Ukraine werden könnten – also als Kriegs- oder Konfliktpartei.  

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O-Ton von Harald Kujat, General a.D.

General a. D. Harald Kujat
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Einig sind sich die Wissenschaftler darin, dass Deutschland durch Waffenlieferungen alleine nicht zur Konfliktpartei werde. Dabei sei es egal, wie viele Waffen Deutschland liefere und ob es eher defensive Waffen oder schwere Waffen seien. Anders sieht das Gutachten die Lage, wenn ukrainische Soldaten dann auch noch an diesen Waffen ausgebildet werden: "Erst wenn neben der Belieferung mit Waffen auch die Einweisung der Konfliktpartei beziehungsweise Ausbildung an solchen Waffen in Rede stünde, würde man den gesicherten Bereich der Nichtkriegsführung verlassen."

Konkret heißt das: Deutschland KÖNNTE dann zur Konfliktpartei werden. Aber: Die Ausbildung ukrainischer Soldaten wäre dann ein Graubereich – bei dem man sich auch immer wieder den Einzelfall anschauen müsste, so das Gutachten.  

Bildet Deutschland ukrainische Soldaten an Waffen aus?  

Ja, unter anderem seit Ende letzten Jahres – im Rahmen einer neuen Ausbildungsmission für die ukrainische Armee, die von der EU beschlossen wurde. Rund 5000 Soldaten sollen in den nächsten 24 Monaten an verschiedenen Standorten in Deutschland trainiert werden. Unter anderem bei der Unterstützung der militärischen Planung, bei der Sanitätsausbildung aber auch bei der Ausbildung an abgegebenem Material. Außerdem bildet auch das US-Verteidigungsministerium schon länger ukrainische Soldaten auf US-Militärstützpunkten in Deutschland aus – in Absprache mit der Bundesregierung.  

Wie wird das völkerrechtlich eingeordnet?  

Die meisten Völkerrechter sehen Deutschland nicht als Konfliktpartei im Russland-Ukraine-Krieg – daran ändere auch die Ausbildung der Soldaten nichts. Professor Markus Kotzur von der Universität Hamburg sagte vergangene Woche zu hr-iNFO:  "Die Grundlinien der Völkerrechtswissenschaft und auch die Rechtsprechung der Internationalen Gerichte sagt, dass man Konfliktpartei erst dann wird, wenn man aktiv an den Kampfhandlungen beteiligt ist. Eine Unterstützung einer Konfliktpartei macht den Unterstützer noch nicht zu einer Konfliktpartei."

Ganz ähnlich sieht das auch die Bundesregierung: Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte, aus seiner Überzeugung bedeute die Ausbildung von ukrainischen Soldaten in Deutschland an Waffensystemen weiterhin keinen direkten Kriegseintritt Deutschlands.  

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