Der Tag - Nachhaltige Mode

Nachhaltig, individuell, oft qualitativ besser: Wie unsere Redakteurin die Klamotten ihrer Mutter wiederentdeckt hat.

Ich bin mal den Jakobsweg 1000 Kilometer weit von Sevilla nach Santiago gelaufen. Was sich anstrengend anhört, ist auch anstrengend und deshalb ist die Devise: Wenig Gepäck. Ich hatte also nur eine lange und eine kurze Hose, vier T-Shirts, einen Pulli und einen Rock dabei. Den Rock trug ich fast jeden Abend, um mich nicht ständig wie eine verschwitzte Pilgerin zu fühlen. Fünfzig Tage lang trug ich also ein und denselben Rock. Schwarz, high waist, dünn, flattrig, leicht waschbar und gut zu trocknen mit kleinen Blümchen, ein wenig folkoresk und - von Zara.

Das ist dieser Laden, in dem die Größe M irgendwie zu einer XS geschrumpft ist und viele Kunden und Kundinnen denken, dass es ok sei, wenn man die Sachen nach dem Anfassen und Anschauen einfach nonchalant wieder zurück auf den Tisch wirft, sodass am Ende des Tages dort ein riesiger Berg liegt, der dann fein säuberlich wieder von den dort arbeitenden Menschen aufgebügelt werden muss, damit der Laden am nächsten Morgen wieder wie ein junger Frühling strahlt.

Fast Fashion hat für Viele keinen Wert 

Aber warum schmeißen die Menschen eigentlich dort wild mit den Kleidungsstücken um sich? Weil sie für sie keinen Wert haben. Schnell gekauft, schnell gelangweilt. Für diese Art von Mode gibt es auch einen Begriff und den habe ich das erste Mal von einer Niederländerin gehört, als ich diesen einen Rock trug und sie mir dafür ein Kompliment machte, auf das ich damals noch antwortete: „Thanks, Zara, 20 Euro!“ Und sie mit angewidertem Blick antwortete: „Ah, Fast Fashion…“

Ich weiß nicht, warum es so lange dauern musste, aber irgendwie wurde erst da so richtig bewusst: Ich konsumierte Dinge, deren Halbwertszeit von der Modeindustrie festgelegt war und die logischerweise – bei dem Preis – unter unfairen Bedingungen hergestellt wurden. Auch wenn ich meinen Rock so oft trug, fing ich an mein Verhalten unter die Lupe zu nehmen.

 "Ich brauche keine Gucci-Tasche"

Ich muss dazu sagen: Ich liebe Mode. Ich brauche keine Gucci-Tasche oder fahre auf einen Blazer von Armani oder so ab. Aber ich liebe es mich jeden Tag anders zu kleiden. Und dafür brauche ich natürlich eine gute Auswahl von Teilen, denn sonst wird es ja langweilig.

Nach der Fast-Fashion-Bemerkung der Niederländerin steckte ich in einem Dilemma. Wie konnte ich weiterhin Spaß an Mode haben, und gleichzeitig nicht noch mehr Geld in diese Riesenindustrie stecken und immer neue Klamotten kaufen. Die Lösung war einfach: Ich entsann mich meiner Leidenschaft mit 17, in Secondhandshops zu gehen oder die alten Sachen meiner Mutter und meines Vaters vom Dachboden zu holen, weil ich kein Geld hatte und die 70er wieder in waren. Die Klamotten, die ich dort fand, hatten eine exorbitant bessere Qualität als Alles im Laden und waren einzigartig. Es fühlte sich beinahe wie eine Schatzsuche an, wenn sich in den Kisten ein weiteres Kleinod auftat.

Die Schatzsuche geht weiter

Seitdem kaufe ich, wenn ich schätzen müsste, rund 80 Prozent meiner Klamotten und Schuhe gebraucht. Und das Schöne ist: Die Schatzsuche muss hier nicht enden: Die Wohnung, in der ich lebe, besteht sicherlich auch zur Hälfte aus grandiosen Fundstücken vom Trödel, Sperrmüll oder aus einer Kleinanzeige. Aber eben auch nur zur Hälfte und 20 Prozent meiner Klamotten sind mit viel Plastik verpackt oder in einem Karton geliefert worden, in dem 30fach so viele Teile Platz gehabt hätten. Aber vielleicht ist es ein kleiner Anfang - der mir sogar Freude bereitet.

By the way, während ich diesen Text geschrieben habe, trug ich den alten, braunen Tweed-Blazer meiner Mutter aus den 70ern - und der sieht noch aus wie neu. Fast.

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